Alles wird besser in Salzburg

Wenn am Mittwoch ein Intendant gekürt wird, ist es Hinterhäuser. Falls nicht, hat de Caluwe Chancen

Vor der Wahl von Alexander Pereira zum Intendanten der Salzburger Festspiele im Jahr 2009 gab es einen Dreiervorschlag der Findungskommission. Dieser nannte neben Pereira noch Pierre Audi und Stéphane Lissner als Kandidaten. Damals titelte der KURIER: „Am besten keiner von diesen dreien.“

Nun, da am Mittwoch (ohne Findungskommission) schon wieder ein neuer Intendant bestellt werden soll, kann man ruhigen Gewissens sagen: Es gibt zwei exzellente Bewerber. Und: Alles wird besser.

Die zwei verbliebenen Kandidaten: Favorit Markus Hinterhäuser (54) und Peter Jozef Prosper de Caluwe (50). Um 14 Uhr beginnt in Salzburg die Sitzung des Kuratoriums mit fünf stimmberechtigten Mitgliedern: Landeshauptmann Wilfried Haslauer (VP), Bürgermeister Heinz Schaden (SP) und Hans Scharfetter (Fremdenverkehrsförderungsfonds) von Salzburger Seite sowie Peter Radel (Finanzministerium) und Andrea Ecker (Kulturministerium) als Vertreter des Bundes. Letztere, die bei Konflikten mit Pereira stets zu vermitteln versucht hatte, ist Vorsitzende.

Rabl-Stadler bis 2017

Der erste Tagesordnungspunkt ist gleich der schwierigste: Die Bestellung des Intendanten, der nach einer Interimsperiode von Sven-Eric Bechtolf und Helga Rabl-Stadler (2015, 2016) die Festspiele ab 2017 übernimmt. Danach geht es um die Präsidentin: Rabl-Stadlers Vertrag läuft am 30. September 2014 aus, es gilt als fix, dass sie bis 30. 9. 2017 verlängert wird, in der Übergangsphase also noch zur Verfügung steht. Danach geht es noch um weniger brisante Dinge wie Baubeiräte.

Ein Mann mit Brille und schwarzem Rollkragenpullover steht vor einer Wand.
Pressebilder
Läuft es nach der Papierform, wird Markus Hinterhäuser zum Intendanten gekürt. Schon um 16.30 soll er als solcher vorgestellt werden. Die Ausschreibung (Antritt 2017) war auf ihn zugeschnitten, weil er bis inklusive 2016 als Chef der Wiener Festwochen unter Vertrag ist. Die Salzburger Kuratoren dürfen allesamt auf seiner Seite sein. Die Wahl muss jedoch einstimmig erfolgen. Hinterhäuser ist wohl der einzige, der auf Anhieb alle Stimmen auf sich vereinen könnte. Müsste man wetten, sollte man auf ihn setzen.

Kulturministerin Claudia Schmied hatte jedoch dem Vernehmen nach zuletzt – im kleinsten Kreis – mehrfach Zustimmung für de Caluwe signalisiert. Er hat auch die Sympathie einiger Kulturexperten im Hintergrund. De Caluwe ist Intendant der Brüsseler Oper La Monnaie (von dort war Gérard Mortier nach Salzburg gekommen) und als solcher international erfolgreich. Sein Haus wurde zwei Mal zum „Opernhaus des Jahres“ gewählt, er selbst in Belgien (als Erster aus dem Kulturbereich) zum „Manager des Jahres“. Er wäre eine höchst seriöse Alternative von außen.

Es ist jedoch unwahrscheinlich, dass es de Caluwe am Mittwoch, also praktisch im ersten Wahlgang, schafft. Falls sich seine Befürworter durchsetzen, wäre wohl eine weitere Sitzung vonnöten.

Neue Ausrichtung

Hinterhäuser hat die Festspiele, bei denen er davor als Konzertchef und als Verantwortlicher für die Neue-Musik-Schiene wichtige Akzente gesetzt hatte, 2011 interimistisch geleitet – die Kritik war begeistert.

Wer auch immer von den beiden die Festspiele ab 2017 führt: Sie werden in ihrer Ausrichtung sicher fokussierter auf das Wesentliche, auf Qualität statt auf Quantität. Hinterhäuser und de Caluwe stehen für einen intellektuelleren Zugang, für einen weiteren Aufbruch (musikalisch wie szenisch) in die Moderne, ohne den nötigen Starglanz zu vernachlässigen. Der eine hat mehr Erfahrung im Konzert-, der andere im Opernfach. Hinterhäuser ist in Salzburg groß geworden, was den Job nicht zwingend leichter macht.

Understatement scheint zu den herausragenden Eigenschaften von Markus Hinterhäuser zu gehören. "Ob ich Intendant oder künstlerischer Leiter genannt werde, ist für mich ein völlig nebensächliches Problem", kommentierte er 2009 in den Wirren des Flimm-Abgangs seine Beförderung vom Konzertchef an die Spitze der Salzburger Festspiele. Von 1. Oktober 2010 bis 1. Oktober 2011 hatte er die Übergangsleitung an der Salzach inne, bis Alexander Pereira übernahm. Nicht zuletzt dank seiner durchweg hochgelobten Interimssaison gilt der 54-Jährige nun als Topfavorit für eine dauerhaftere Anstellung, wenn am Mittwoch das Kuratorium zur Entscheidungsfindung zusammentritt. Vor einem etwaigen Amtsantritt 2017 leitet Hinterhäuser aber drei Jahre lang die Wiener Festwochen. Dabei wäre das Pendeln zwischen Festwochen und Festspielen für Hinterhäuser nichts Neues.

Geboren wurde Markus Hinterhäuser am 30. März 1959 in La Spezia, der Heimatstadt seiner italienischen Mutter. Er studierte Klavier an der Hochschule für Musik in Wien, am Mozarteum in Salzburg sowie in Meisterkursen. Als Solist und Liedbegleiter musizierte Hinterhäuser im Zuge seiner Karriere in den bedeutendsten Konzertsälen der Welt und arbeitete mit den renommiertesten Künstlern. Sein besonderes Engagement galt stets der zeitgenössischen Musik, insbesondere für das Werk von Luigi Nono, Karlheinz Stockhausen, Morton Feldman, György Ligeti, Giacinto Scelsi und Galina Ustwolskaja.

"Zeitfluss" unter Mortier

Im Rahmen der Salzburger Festspiele betreute Hinterhäuser von 1993 bis 2001 unter der Intendanz von Gerard Mortier zusammen mit Tomas Zierhofer-Kin die Neue-Musik-Schiene "Zeitfluss", die große Beachtung fand. Die "Zeitfluss"-Festivals zu Themen wie Grenzzuständen der Wahrnehmung oder Religiosität und Ritual boten ein Spektrum von Klassikern der zeitgenössischen Musik bis zu den "Einstürzenden Neubauten". Unter dem Titel "zeit_zone" setzten Hinterhäuser und Zierhofer-Kin 2002 bis 2004 ihre Arbeit im Rahmen der Wiener Festwochen fort, wobei ein stärkeres Gewicht auf (Musik-)Theater und künstlerische Zwischenbereiche gelegt wurde.

Konzertchef

2006 kehrte Hinterhäuser dann das erste Mal wieder zu den Salzburger Festspielen zurück, als er zum Konzertchef berufen wurde. Schon sein erstes Programm 2007 wurde gelobt, was sich auch 2008 fortsetzte. Die erfolgreiche Programmierung der wichtigen Konzertsparte, bei der er u.a. in der Reihe "Kontinente" Akzente setzte und klassische Musik mit moderner Musik verschränkte, brachte Hinterhäuser nach Ansicht vieler in die Pole Position für die Nachfolge von Intendant Jürgen Flimm.

Als 2009 jedoch Alexander Pereira als Intendant ab Herbst 2011 bestellt und klar wurde, dass Schauspiel- und Konzertleiter auch künftig nicht im Direktorium vertreten sein würden, zog Hinterhäuser die Konsequenzen und gab bekannt, "unter den ihm angebotenen Rahmenbedingungen den Salzburger Festspielen nach 2011 als Konzertchef nicht mehr zur Verfügung zu stehen". Der vorzeitige Abgang Flimms brachte Hinterhäuser dann unversehens doch für ein Jahr an die Spitze, wobei er die Pläne großteils von Flimm übernehmen musste. Dessen ungeachtet wurde dem Kulturmanager nicht zuletzt wegen seiner fachlichen Kompetenz und seines ruhigen, verbindlichen Führungs- und Kommunikationsstils allseits Lob zuteil.

Festwochen

Ab der Saison 2014 wird Hinterhäuser nun als Intendant der Wiener Festwochen die Bundeshauptstadt großflächig bespielen - und das mit einem Festival, das er auch von der Bühne aus bereits von zahlreichen Auftritten kennt. Gemeinsam mit Schauspieldirektorin Frie Leysen wird der Kulturmanager bis 2017 für das Programm verantwortlich zeichnen. Ob er dann abermals von den Festwochen zu den Festspielen zurückkehrt, entscheidet sich am Mittwoch.
(APA)

Sollte der belgische Opernmacher Peter de Caluwe an die Spitze der Salzburger Festspiele berufen werden, knüpft das Kuratorium in gewissem Sinne an die Zeit unter Intendant Gerard Mortier an, war es doch der Belgier, der seinen jungen Landsmann noch als Studierenden ans Theatre de la Monnaie in Brüssel holte. Aber auch mit einem weiteren Kandidaten der Salzburger Shortlist, Pierre Audi, ist de Caluwe gut bekannt.

Geboren wurde Peter de Caluwe 1963, er studierte Literatur- und Theaterwissenschaft an den Universitäten Gent, Brüssel und Antwerpen. Seinen Magistertitel erwarb er über eine Arbeit, die sich der Mise-en-scene in der Oper widmete. Da hatte ihn Mortier bereits ans Theatre de la Monnaie geholt, wo er im Anschluss als Dramaturg, Koordinator verschiedener Bildungsprojekte, internationaler Presse-und PR-Referent tätig war.

1989 berief ihn dann Pierre Audi ins neue Opernteam der Nederlandse Opera in Amsterdam. Er begann dort als Kommunikationsdirektor und sollte das neue Profil des Hauses in der Öffentlichkeit verankern. Ab 1994 hatte er dann die Position eines künstlerischen Betriebsdirektors inne.

Chef in Brüssel

2005 schließlich wurde de Caluwe zum Intendanten von La Monnaie/De Munt ernannt. 2007 trat er seinen dortigen Posten an, wobei sein aktueller Vertrag noch bis 2019 läuft. Zuletzt wurde das Haus unter ihm zweimal in Folge zum Opernhaus des Jahres gewählt, wobei er die neue Saison unter das Motto "Das Gewissen ist aus der Rebellion geboren" gestellt hat.

Aber nicht nur mit Pierre Audi als derzeitigem Konkurrenten um den Salzburger Chefposten ist de Caluwe bestens bekannt, auch mit dem Topfavoriten auf die Stelle, Markus Hinterhäuser, ist der Belgier vertraut. So will er nicht zuletzt im kommenden Jahr bei den Wiener Festwochen unter Intendant Hinterhäuser eine Produktion herausbringen, die im Anschluss nach Brüssel geht. "Markus ist ja auch einer, der über die Grenzen denkt", hatte de Caluwe im KURIER-Interview beschieden.
(APA)

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