KURIER: Nur wenige können mit dem Namen Herman J. Mankiewicz etwas anfangen. Die meisten würden auf die Frage, wer „Citizen Kane“ geschrieben hat, mit Orson Welles antworten. Warum ist das so?
David Fincher: Orson Welles war eine überlebensgroße Figur. Und für mich war er insofern auch Autor, da er das Drehbuch auf die Leinwand übertragen hat. Ich kann mich mit ihm als Regisseur durchaus identifizieren. Regisseure und Drehbuchautoren gehen bei jedem Projekt eine sehr komplizierte Beziehung ein. Der Autor ist immer davon überzeugt, dass sein Dialog funktioniert, weil er es am Papier auch tut. Aber vor der Kamera ist es oft anders und man muss adaptieren. Welles wurde letztlich der Co-Autor-Titel zugesprochen, weil er am Ende durchaus mitschrieb. Unser Film endet aber vor dieser Phase.
Herr Oldman, was war Ihrer Meinung nach Manks Antrieb?
Gary Oldman: Mank wollte in Wirklichkeit den großen amerikanischen Roman schreiben, oder zumindest ein weltbekanntes Theaterstück. Das war für ihn der Inbegriff von Literatur, der Gipfel der Schreibkunst. Vertraglich dazu verpflichtet zu sein, Drehbücher für ein Filmstudio zu schreiben, sah er aber als Beleidigung seines Talents. Er hielt sich für etwas Besseres. Er schrieb ein Telegramm an einen Freund in New York: „Warum kommst du nicht hierher, du kannst Millionen scheffeln, und deine einzigen Konkurrenten sind Vollidioten.“ Das war seine Einstellung. Er hasste einerseits, dass er ein Studioangestellter war, andererseits fühlte er sich ganz wohl in der vom Studio gemieteten Villa unter Palmen. Billy Wilder sagte einmal: „Wenn du mal den Swimmingpool hast, haben sie dich.“ Und diese Aussage trifft auf Mank definitiv zu.
Herman J. Mankiewicz und sein wesentlich bekannterer Bruder Joseph L. Mankiewicz („All About Eve“, „Cleopatra“) gehören zu der Gruppe von jüdischen Einwanderern, die Hollywood in den 1920er- bis 1950er-Jahren stark geprägt haben. Warum war Herman trotz „Citizen Kane“ nicht so erfolgreich wie sein um zwölf Jahre jüngerer Bruder Joseph?
David Fincher: Weil er seine Karriere mit Alkoholismus und Zynismus ruinierte. Er verabscheute Hollywood, und es wendete sich gegen ihn. Seine Sucht war da eine willkommene Ausrede. Aber es war seine Verachtung der Stadt, und der Industrie, die ihn die Karriere kostete. Besoffene gab es viele, Hollywood ist voll von Suchtmenschen, aber wenn sie den Ort und was er repräsentiert lieben, dann werden sie zurückgeliebt. Joseph Mankiewicz war ein netter Typ. Genauso talentiert in seinem Wortwitz wie Herman, aber niemals zynisch.
Haben die Erben der Mankiewicz-Dynastie dem Film zugestimmt?
David Fincher: Es gibt noch einige Nachfahren, aber wir haben sie nicht involviert. Sie haben irgendwie eine frühe Version des Drehbuchs in die Finger gekriegt, und hatten ein paar Vorbehalte, die sie uns schriftlich mitteilen ließen, aber wir haben das ignoriert. Es ging dabei vor allem um seine Alkoholsucht, und die ist hundertfach belegt, die kann man nicht einfach weglassen. Auch, dass er sich in einer Szene auf einer Party einen Goldfisch in den Rachen schiebt und sich dann übergibt. Dafür gibt es Zeugen, und die haben diese Geschichte und viele andere niedergeschrieben, um ihn als Menschen mit einem außergewöhnlichen Humor und Wortwitz zu zelebrieren.
Herr Oldman, Sie haben zuletzt in „Darkest Hour“ Winston Churchill verkörpert. Nun spielen Sie erneut eine historische Figur. Gab es in der Vorbereitung auf die Rolle Gemeinsamkeiten?
Gary Oldman: Lustigerweise hat mich Christian Bale darauf angesprochen, dass ich für Churchill nicht zugenommen habe, weil er damals gleichzeitig den Dick Cheney-Film gedreht und dafür 25 Kilo rauffressen musste. Also habe ich ihn vor „Mank“ angerufen und gemeint, Mank ist ein Säufer, er muss einen Whiskey-Bauch haben, was war deine Diät für Cheney? Ich habe mich an die Bale-Diät gehalten und sie hat funktioniert.
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