KURIER: Sie haben zu „Madama Butterfly“ eine besondere Beziehung . . . Asmik Grigorian: Ja, ich habe diese Partie schon oft gesungen. Wie auch meine Mutter, als sie mit mir schwanger war. Ich bin mit der Butterfly geboren worden und aufgewachsen. Ich habe ein spezielles emotionales Verhältnis zu dieser Rolle.
Wie sehen Sie den Charakter der Cio-Cio-San?
Sie berührt mich sehr. Sie ist kein Opfer und sie ist nicht dumm. Sie ist eine starke junge Frau, die sich in Pinkerton verliebt, später auf ihn wartet, sich um das gemeinsame Kind kümmert und zuletzt in den Tod geht – das sind extreme Emotionen!
Wie aber kommt man nach einer Salome oder einer Butterfly wieder im richtigen Leben an?
Das muss ich gar nicht. Ich liebe meine Arbeit so sehr. Und ich kann auf der Bühne viele Charaktere verkörpern, die alle ein Teil von mir selbst sind. Ich darf Gefühle ausleben, die ich im normalen Leben so nicht zeigen dürfte. In darf lieben und ich darf töten. Wir sind alle Menschen, und all diese Aspekte, die uns die Komponisten gezeigt haben, sind ein Teil von uns. Insofern muss ich gar nicht zwischen den Welten switchen.
Wie laufen die Proben in Zeiten der Pandemie ab und wie haben Sie selbst die Phase des Lockdowns erlebt?
Die Proben in Wien laufen genauso professionell ab wie im Sommer in Salzburg. Wir werden alle regelmäßig auf das Virus getestet und sind ein tolles Team. Musiktheater ist ja immer Teamarbeit. Die Zeit des Lockdowns habe ich mit meiner Familie, mit meinen Kindern verbracht. Das war das Positive an dem Virus, dass man plötzlich mehr Zeit für die Familie hatte. Vor allem aber war ich Österreich. Ich war da wirklich ein glückliches Mädchen.
Werden wir Sie in Österreich auch in Zukunft hören?
Ja! ich liebe dieses Land. Ich empfinde eine tiefe Liebe zu Salzburg und zu Wien. es gibt viele Pläne für die Staatsoper. Und ich denke sogar daran, mit meiner Familie nach Wien zu übersiedeln.
Welche Partien werden – vielleicht sogar neu – kommen, wünschen Sie sich?
Ich werde etwa in Paris die Lisa in Tschaikowskys „Pique Dame“ in der Regie von Dmitri Tcherniakov singen – ein toller Regisseur! Dirigent ist übrigens Daniel Barenboim. Aber erst 2021. Zuvor freue ich mich auf die Rusalka in der Inszenierung von Christof Loy in Madrid und auf Prokofjews „Spieler“ in meiner Geburtsstadt Vilnius. Und natürlich auf die Senta in Wagners „Fliegenden Holländer“ bei den Bayreuther Festspielen.
Viel Strauss und Wagner – kündigt sich da vielleicht gar ein Fachwechsel an?
Nein. Ich singe das, was ich singen möchte. Ich will da in keine Schublade gesteckt werden, wie das heute leider so oft üblich ist. Rollenwünsche habe ich übrigens auch fast keine. Aber ich möchte in Zukunft mehr Verdis. Die Elisabetta in „Don Carlo“ wäre eine schöne Option.
Wenn Sie auch keine spezifischen Wollenwünsche haben, welche Wünsche hätten Sie für ihre Zukunft und die Ihrer Familie?
Ich wünsche mir, dass diese Pandemie bald vorbei ist, dass es bald einen Impfstoff gibt, dass in der Zwischenzeit möglichst viele Menschen gesund bleiben, und wir bald alle wieder ein normales Leben führen können. Ohne Angst vor Nähe und sozialen Kontakten. Denn die Angst ist niemals ein guter Berater. Nicht auf der großen Opernbühne und schon gar nicht im wichtigen realen Leben.
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