"Ludwig II." im Akademietheater: Realitätsflüchtling mit Großbildschirm

Markus Meyer als "Ludwig"
"Ludwig II.": Jubel in der Akademie für Regisseur Bastian Kraft und Darsteller Markus Meyer.

Eine in jeder Hinsicht bemerkenswerte, merkwürdige Arbeit gibt es jetzt im Akademietheater zu sehen: Bastian Krafts "Ludwig II.". Im Sinne von: wert und würdig, bemerkt zu werden.

Der Rezensent erlaubt sich – trotz des Premierenjubels für Darsteller und Regieteam – zu sagen: Der Abend hat auch Schwächen. Trotzdem sollten sich Theaterfreunde diese Inszenierung nicht entgehen lassen.

Der junge Regisseur Bastian Kraft hat sich einen Ruf als Experte für Dramatisierungen erarbeitet. (Was diese komische Dramatisierungs-Mode soll und warum das Theater offenbar nicht mehr auf Texte vertraut, die für das Theater geschrieben wurden, besprechen wir ein anderes Mal.) Seine Burg-Inszenierung von "Das Bildnis des Dorian Grey" mit Markus Meyer galt als Sensation.

Visconti-Hommage

Der berühmte, legendenumwobene Visconti-Film mit Helmut Berger als Ludwig und Romy Schneider als Sisi hat Kraft schon als Student fasziniert. Die historische Figur des unglücklichen Bayernkönigs ließ ihn, erzählte er im KURIER-Interview, nicht mehr los. Er sieht ihn als Weltflüchtling, der sich der Politik verweigerte und lieber die Kunst förderte. Als einen, der zwischen Realität und Fantasie verloren ging.

Kraft bringt jetzt seine Version des Visconti-Films auf die Bühne – wobei er, einen Kunstgriff Viscontis abwandelnd – die Figuren in kurzen Verhör-Sequenzen über den Film sprechen lässt. Dabei verschwimmen auf sehr reizvolle Weise die Realitätsebenen: Spricht jetzt Richard Wagner zu uns? Oder Trevor Howard, der Wagner im Film spielte? Oder Johann Adam Oest, der im Burgtheater Howard spielt, der Wagner spielt? Dieses Verschmelzungen von Identitäten entsprechen dem Leben des historischen Ludwig, der aus sich selbst eine Kunstfigur machte und sich zeitweise mit Personen aus Literatur und Oper identifizierte.

Virtuos

Markus Meyer ist ein großartiger Darsteller des Ludwig – und ein idealer: Kein Schauspieler ist derzeit so atemberaubend wandlungsfähig. Meyer spielt aber nicht nur den Ludwig, sondern in Filmzuspielungen ein gutes Dutzend weiterer Rollen, darunter Ludwigs Mutter, Ludwigs geisteskranken Bruder, seine unglückliche Braut Sophie, seinen Liebhaber, den Schauspieler Josef Kainz, und den Nervenarzt von Gudden (der gemeinsam mit Ludwig unter nie geklärten Umständen im Starnberger See starb).

Diese Rollenwandlungen sind ohne Frage virtuos – aber sie haben auch einen kleinen Stich ins Eitle: Seht her, was Schauspiel und Maskenbildner können!

Das ist, zumindest aus der Sicht des Rezensenten, die Schwäche dieses ohne Frage beeindruckenden Theaterabends: Er ist ein bisschen sehr von sich selbst beeindruckt – und er ist erstaunlich humorlos. Da werden mit kunstbeflissener Ernsthaftigkeit weiße Gewänder mit schwarzer Tinte beschmiert, mithilfe der Kameratechnik Gesichter und Körper ineinander geblendet, da wird das Publikum gespiegelt, im Parterre gespielt, da muss Meyer die letzte Szene ganz nackt spielen ... als wolle das Theater all seine Möglichkeiten herzeigen, wie in einem Vorführprogramm.

Ein neuer Flatscreen!

Star des Abends ist ein schwenkbarer Bildschirm von der Fläche eines städtischen Freibadbeckens, der gleichzeitig als Spiegel wie als Videoscreen dient und fantastische Effekte ermöglicht – und zugleich fast unangenehm gigantomanisch wirkt. Aber vielleicht ist genau diese Gigantomanie der Figur Ludwig angemessen?

Johann Adam Oest als Richard Wagner, der Ludwig kühl lächelnd finanziell aussaugt (und ihn öffentlich blamiert) und Regina Fritsch als Kaiserin Elisabeth, die in ihrem Cousin sich selbst erkennt und darüber erschrickt, spielen einfach großartig.

Eine der packendsten Szenen, die der Rezensent je im Theater sah, steht am Ende: In Zeitlupe versinkt Markus Meyer in einem Tank schwarzen Wassers, von oben gespiegelt – ein gespenstischer Abgang für einen Menschen, der längst nur noch Bild war.

Wie eingangs erwähnt: ganz großer Jubel.

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