Liam Neeson: Atemlos durch die Nacht

Liam Neeson (li.) muss seinen Sohn (Joel Kinnaman, re.) vor der Rache eines  Mafia-Bosses retten und flüchtet mit ihm eine Nacht lang durch New York und Umgebung
"Run All Night". Schon wieder ein Action-Thriller mit Liam Neeson. Zum Glück ist Ed Harris dabei.

Kann sich noch jemand an einen Film mit Liam Neeson erinnern, in dem er nicht einen einsamen, verzweifelten, nicht mehr ganz jungen Action-Helden spielt? Nicht unrasiert sein Bier trinkt, verkatert nach seiner Pistole sucht?

Zwar hat Neesons Ex-Agenten-Trilogie "96 Hours – Taken" vorerst ein mehr oder weniger rühmliches Ende gefunden. Trotzdem fließen mittlerweile die gesammelten Liam-Neeson-Vehikel der letzten Jahre – zwischen "The A-Team" und "A Walk Among the Tombstone" – in der Erinnerung zu einem einzigen Liam-Neeson-Film zusammen.

In "Run All Night" immerhin, nach "Non-Stop" und "Unknown" die dritte, effektvolle Zusammenarbeit mit dem spanischen B-Movie-Spezialisten Jaume Collet-Serra, kommt es zu Überraschungen. Als heruntergekommener Mafioso Jimmy Conlon muss er sich als Weihnachtsmann verkleiden und die Kinder der Mafiosi-Kollegen beschenken. Gedemütigt und im Vollrausch nimmt er den Event zum Anlass, um eine der Kindsmütter anzubraten und mit seiner Penis-Länge zu prahlen.

Das gab es noch nie im Neeson-Ouvre, notierte ein US-Kritiker aufmerksam. So viel zu den Neuigkeiten.

Totengräber

Jimmy Conlon, das erfahren wir ziemlich bald, zählte einst zu den schießwütigsten Vertretern der irisch-amerikanischen Mafia. Seinen Spitznamen "Totengräber" hatte er sich durch sein brutales Vorgehen redlich verdient – mit dem Effekt, dass sein einziger Sohn Mike sauer auf Papa ist und die gesamte Filmlänge hindurch eigentlich nichts mit ihm reden will.

Muss er aber. Denn Mike gerät in Schwierigkeiten, und um ihn zu retten, erschießt Vater Jimmy einen anderen Sohn – nämlich den seines einst besten Mafia-Freundes Shawn Maguire, einem mittlerweile respektablen und reichen Geschäftsmann. Maguire schwört, nicht zu ruhen, bis er Jimmys Sohn Mike hingerichtet hat. Und eine atemlos-blutige Verfolgungsjagd quer durch New York und Umgebung beginnt.

Dass ein toller Ed Harris den vergeltungsdurstigen Gegner von Jimmy spielt, veredelt den abgedroschenen Rache-Plot und verleiht dem finalen Duell zwischen den Vätern gediegen-altmodisches Pathos. Harris und Neeson können mit ihren Gesichtern die Leinwand beherrschen. Noch in letzter, tödlicher Umarmung kraulen sie sich liebevoll am Kopf und wechseln Sätze wie "Ich wollte immer so sein wie du".

Ansonsten macht sich eine fahrige Handkamera mit nachtschwarzen, aufpolierten Bildern wichtig und tut so, als hätte sie gerade die Zeitlupe erfunden. Auch mit der örtlichen Geografie nimmt es Collet-Serra nicht sehr genau. Von den Bronx bis nach Midtown Manhattan – inklusive Abstecher bei der sterbenden Mutter im Krankenhaus – dauert es gefühlte drei Gehminuten; eine Distanz, die im wirklichen Leben eine U-Bahn-Stunde verschlingen würde.

Nun könnte man sagen: macht nix, wir sind ja im Kino und nicht bei den Pfadfindern. Doch der saloppe Umgang mit Orten und Distanzen tut dem ohnehin schon gestaucht erzählten Thriller nicht gut, verflacht die Schauplätze und nimmt der Action trotz Blutrunst von ihrer Körperlichkeit.

Angeblich will Liam Neeson nur noch zwei Jahre lang Action-Filme drehen. Bis dahin ist noch einiges möglich.

INFO: USA 2015. 114 Min. Von Jaume Collet-Serra. Mit Liam Neeson, Ed Harris.

KURIER-Wertung:

Im Kino: "Run All Night"

Julianne Moore spielte eine Linguistin, die an Alzheimer erkrankt und Worte vergisst. Hilary Swank spielt eine Pianistin, die an ALS erkrankt und ihre Finger nicht mehr bewegen kann. Dieses Rollenschicksal teilt sie mit Eddie Redmayne, der als Phyiker Stephen Hawking ebenfalls an der unheilbaren Krankheit des motorischen Nervensystems leidet. Moore und Redmanye wurden mit einem Oscar belohnt, Swank nicht einmal nominiert.

Dabei macht sie ihre Sache gut, soweit dies in einem plakativen Gefühlsdrama möglich ist: Als perfekte Vorzeigefrau eines Geschäftsmannes (Josh Duhamel) führt Kate eine glückliche Ehe im Designerhaus – als plötzlich ihre Finger unkontrolliert zu zucken beginnen.

Eineinhalb Jahre später sitzt Kate im Rollstuhl und kann nicht mehr alleine die Toilette benutzen. Sie braucht Rundum-Pflege und engagiert die ungestüme College-Studentin Bec. Die Dynamik zwischen kranker Oberschichtslady und gesundem Unterschichtsluder kennt man aus Tragikomödien wie "Ziemlich beste Freunde." Doch Regisseur George C. Wolfe verwechselt Klassengegensätze mit krasser Charakter-Überzeichnung.

Bec – eine plappernde Emmy Rossum – stellt sich beim Vorstellungsbesuch mit Zigarette vor die Tür, fragt die zukünftige Arbeitgeberin nach ihrer Lebenserwartung und lacht hysterisch, als diese am Klo stürzt. Dass Kate, ausgestattet mit dem Charakter einer Heiligen, sie engagiert, grenzt an Masochismus. Die Verschlechterung der Krankheit bringt zwar Swanks kontrolliertes, intensives Spiel zur Geltung und schafft Raum für berührende Momente. Insgesamt mangelt es jedoch profund an Zwischentönen: Wo Gefühl drauf steht, ist meist Kitsch drin.

INFO: USA 2014. 102 Min. Von Goerge C. Wolfe. Mit Hilary Swank, Emmy Rossum.

KURIER-Wertung:

Liam Neeson: Atemlos durch die Nacht
Hilary Swank   erkrankt an ALS

Anlässlich ihres 85. Geburtstags erwartet Oma keine schöne Überraschung: Sie muss ins Altersheim. "Dort ist es wie in einem Hotel", beschwichtigt sie ihr Sohn mit falscher Stimme. Nur ihr Enkel Romain hat Verständnis für den Kummer der alten Dame und wird zu ihrem Komplizen.

Basierend auf dem Bestseller des französischen Schriftstellers David Foenkinos (ihm verdanken wir auch eine Arthouse-Petitesse wie "Nathalie küsst" mit Audrey Tautou) spielt diese auf dem Reißbrett entworfene Generationenkomödie kalkuliert mit den "ernsthafteren" Dingen des Lebens (Alter und Tod), ohne sich dabei wehtun zu wollen. Angesiedelt im wohligen Bürgertum und in der pittoresken Landschaft der Normandie, entfalten sich kleinere und größere Tragödchen der Familienmitglieder: Oma hadert mit dem Altersheim, ihr Sohn – der eigentlich sehr lustige Michel Blanc – mit der Pensionierung und der Enkel damit, dass er die Frau seines Lebens noch nicht gefunden hat. Ein Tankwart ist es, der mit seinen Weisheiten alle auf den richtigen Weg führt. Wer das nicht lustig findet.

INFO: F 2014. 96 Min. Von Jean-Paul Rouve. Mit Michel Blanc, Annie Cordy.

KURIER-Wertung:

Liam Neeson: Atemlos durch die Nacht

Chagall-Malewitsch

Bio-PicAls "folkloristische Ballade" inszenierte Alexander Mitta sein Porträt des Malers Marc Chagall. Während der Oktoberrevolution kehrt der französische Maler russisch-jüdischer Herkunft aus Paris in seine Heimatstadt Witebsk zurück und bleibt dort hängen. In Witebsk errichtet er eine Kunstakademie und lädt dazu den Künstler Kasimir Malewitsch ein. Dieser entpuppt sich bald als sein schärfster Konkurrent.

Winnetous Sohn

KinderfilmDer zehnjährige, pummelige und blasse Max fühlt sich wie ein waschechter Indianer und will bei den Karl-May-Festspielen als Winnetous Sohn vorsprechen. Sein Freund unterstützt ihn dabei, obwohl er mit Indianern wenig anfangen kann. Max hofft auch, seine getrennten Eltern wieder zusammenzubringen. Deutscher Kinderfilm.

Blade Runner

Sci-Fi 1982 kam Ridley Scotts Sci-Fi-Meisterwerk ins Kino. In den letzten 33 Jahren existierten allerdings mehrere Fassungen: Der originale Cut, mit dem der Regisseur nicht einverstanden war, der Director’s Cut, und der von Scott als endgültig betrachtete Final Cut von 2007 – jetzt als Wiederaufführung im Wiener Gartenbaukino.

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