Leon De Winter: "Jetzt hol’ ich den Baseballschläger!"

Leon De Winter schreibt, seit er 24 ist. Sein jüngster Roman heißt „Ein gutes Herz“ (Diogenes)
Humor? Eine gute Strategie. Doch irgendwann ist bei Leon de Winter Schluss mit lustig.

Umarme deinen Feind, heißt die Strategie: Im Roman „Ein gutes Herz“ macht Leon De Winter seinen langjährigen Widersacher zum Protagonisten. De Winter schickt Theo Van Gogh, den rechten Provokateur (siehe Info-Kasten), in die Vorhölle.

KURIER: Sie haben einmal voll Ironie geschrieben, Bin Laden sei gar nicht er selbst gewesen, sondern eine von der CIA gesteuerte Marionette. Das Böse durch den Kakao zu ziehen ist eine Strategie, die schon Chaplin bei Hitler angewandt hat.

Leon De Winter: Das haben wir viel zu selten mit Bin Laden gemacht. Wir hätten mehr über ihn lachen sollen.

Es gab zumindest „Achmed, the dead terrorist“. In Ihrem Buch gehen Sie einen ähnlichen Weg: Sie umarmen den Feind und machen ihn zur Romanfigur.
Mein erster Gedanke war, eine Abrechnung zu schreiben. Aber es hat sich anders entwickelt. Während des Schreibens wurde er mir weniger unsympathisch. Es ist in verrückter Weise sogar eine Versöhnung geworden.

Wäre das auch eine Strategie, um mit den Rechtsparteien in Europa umzugehen? Sie weniger ernst zu nehmen? Oder muss man es ernst nehmen, wenn Marine Le Pen und Geert Wilders zusammenarbeiten?
Humor ist generell ein ein gutes Mittel, um mit Politikern umzugehen. Aber diese Koalition macht mir Sorgen. Ich hätte das von Wilders nicht erwartet, obwohl er ein Rechtspopulist ist. Diese Linie hätte er nicht überschreiten dürfen. Solange Jean-Marie Le Pen als Symbolfigur da ist, darf man da nicht einmal anstreifen. Das gilt auch für den belgischen Vlaams Block. Aber als Romantiker sage ich, man darf nicht ausschließen, dass sich Menschen ändern können. Vielleicht ist das bei Marine Le Pen so. Vielleicht ist sie anders als ihr Vater.

In „Ein gutes Herz“ versuchen Sie, die Motive der islamistischen Attentäter nachzuvollziehen. Ändert das etwas an Ihrem islamkritischen Weltbild?
Nein, ich versuche nur zu verstehen, warum sich junge Menschen radikalisieren. Da geht es auch um persönliche Umstände. Um die Möglichkeit, Aggression und für uns völlig veraltete Verhaltensweisen auszuleben. Im Islamismus können sich die Burschen so männlich wie möglich benehmen. Kämpfer sein. Es ist Rock ’n’ Roll.

Im Buch beschreiben Sie sich als übergewichtig und werden von Ihrer Frau verlassen. Ist das eine schriftstellerische Bewältigungsstrategie, mit persönlichen Ängsten umzugehen?
Es ist eine Art Beschwörung: Ich habe es erzählt und dann kann es nicht passieren. Meine Frau sieht das anders. Sie sagt, so etwas darf man auf keinen Fall tun.

Sie haben sie eingeweiht?
Ich habe Sie sogar gefragt. Ich musste das tun. Ich wusste, wenn ich über Van Gogh schreibe, muss ich auch eine Figur sein. Ich wollte aber nicht über meine Frau schreiben. Das war mir zu gefährlich. Also sind wir im Buch geschieden. Sie durfte sich aussuchen, für wen sie mich verlässt. Sie wählte den reichen kalifornische Architekten.

Holen Sie sich bei Ihrer Frau schriftstellerischen Rat?
Wenn ich begeistert bin, dann schicke ich ihr etwas. Ich erwarte mir dann, dass sie es wunderbar findet. Kritik will ich erst hören, wenn die erste Fassung fertig ist.

Wie und wann schreiben Sie?
Jeden Tag: Ab neun sitze ich und muss mein Pensum schaffen. Wenn ich gut geschlafen habe, dann nehme ich mir morgens beim Kaffee vor: Heute ist ein 1400-Wörter-Tag. Manchmal muss ich bis spätabends kämpfen.

Was tun Sie, wenn Sie nicht schreiben?
Krimis lesen, fernsehen. Ich liebe „Breaking Bad“ und „The Wire“ – die großen Erzählungen unserer Zeit.

Vermissen Sie Theo Van Gogh als Reibebaum?
Er war eine Qual. Ich habe ihn allerdings nie persönlich getroffen. Ich hätte auch nicht gewusst, was ich ihm sagen soll. Ich hätte ihm nur eine reinhauen können. Es gab Momente, da dachte ich, jetzt hol’ ich meinen Baseballschläger und geh zu ihm. Vielleicht hätte ich das tun sollen. Ich hätte ihn begrenzen sollen. Dann würde er noch leben.

Der Schriftsteller

Leon De Winter (*1953) ist einer der erfolgreichsten holländischen Autoren. Sohn niederländischer orthodoxer Juden, veröffentlicht er seit 35 Jahren Romane und politische Kommentare. Er ist mit der Schriftstellerin Jessica Durlacher verheiratet.

Der rechte Fanatiker

Der Regisseur Theo Van Gogh, der 2004 von einem islamischen Fundamentalisten ermordet wurde, hatte provoziert, wo er konnte. De Winter warf er vor, dieser würde „sein Judentum vermarkten“.

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