"Laurence Anyways": Der Reiz des Neuen

Film: Laurence Anyways
Nathalie Baye im Interview über ihren neuen Film "Laurence Anyways" von Regisseur Xavier Dolan.

Sie liebte Johnny Hallyday, drehte mit Truffaut „Die amerikanische Nacht“ und mit Godard „Rette sich wer kann“. Nun, mit 65, arbeitet sie mit einem 23-Jährigen: Nathalie Baye ist ein Star, der immer offen ist für Neues.

Im Transgender-Drama „Laurence Anyways“, derzeit im Kino, spielt sie die Mutter des Titelhelden, der lieber eine Frau als ein Mann sein will. Eine Nebenrolle, die sie mit ihrer Präsenz furios aufwertet. Regie führte der 23-jährige Kanadier Xavier Dolan, dem sich Nathalie Baye „völlig auslieferte“. Wenn schon etwas wagen, dann ohne Wenn und Aber, das ist ihre Devise. Der KURIER traf die elfenhafte 65-Jährige zum Gespräch im Pariser Grand Hotel.

KURIER: Was hat Sie, die vierfache César-Gewinnerin, dazu bewogen, im Film eines blutjungen Kanadiers mitzuwirken?

Nathalie Baye: Das kann ich Ihnen leicht beantworten: Das Script war toll – ein Faktum, das heutzutage selten geworden ist. Die Charaktere waren stark und ganz klar herausgearbeitet. Meine Rolle der Mutter von Laurence war vielschichtig und interessant: Xavier Dolan lässt bei Julienne stets hervorblitzen, wie hoffnungsvoll sie als junge Frau war. Wie künstlerisch begabt und ambitioniert – bis ihr das wahre Leben in Form eines Kleinkindes und eines kranken Ehemannes einen gewaltigen Strich durch die Rechnung machte. Als sie von der sexuellen Orientierungslosigkeit ihres erwachsenen Sohnes erfährt, reagiert sie erst unwirsch und zornig. Doch dann öffnet sie sich und redet mit ihm entwickelt sich mit ihrem Sohn weiter.

Julienne ist keine sympathische Figur, oder?
Sie ist keine glatte, eindimensionale Figur, und das schätze ich außerordentlich. Ich mag Widersprüche. Die Leute, bei denen alles glatt geht und die keine Ecken und Kanten haben, haben mich nie interessiert.

Wenn man als junge Frau schon mit den ganz Großen des französischen Kinos wie Godard, Truffaut, Pialat und Tavernier gearbeitet hat, muss man sich neu definieren. Würden Sie dem zustimmen?
Ja, man muss sich schon irgendwann Gedanken machen, was man weiter tun will. Ich kann jetzt sagen: Ich bin viel mehr an einer kleinen Rolle in einem guten Projekt interessiert als an einer großen in einem schlechten Film. Ich finde es reizvoll, mich dem Unbekannten zu stellen. Ich probiere Regisseure aus und spiele mit Vorliebe Figuren, die mir nicht ähnlich sind.

Mögen Sie Ihre Berühmtheit?
Nicht wirklich. Die vier Jahre, in denen ich mit Johnnie Hallyday zusammen war, waren mir eine Lehre. Was da über uns geschrieben wurde, war schmutzig und destabilisierend. Nein, es ist nicht befriedigend, ständig beobachtet zu werden. Seither halte ich mich bedeckt, was mein Privatleben betrifft. Ich denke, du verlierst dich selbst, wenn du deinen Promi-Status zelebrierst. Berühmtheit hat nichts mit Glück zu tun. Glück ist etwas ganz anderes. Etwa, eine Rolle zu bekommen, die man sich immer ersehnt hat.

Sie haben ein Tanzstudium absolviert und kommen von der Bühne. Spielen Sie denn noch Theater?
Immer wieder. Ich bin immer noch eine Theaterschauspielerin, die die Luft auf der Bühne liebt. Meine Lehrherren am Theater haben meinen Arbeitsstil geprägt: Sie gaben mir das Gefühl für Qualität, das ich nie mehr loswurde.

INFO: „Laurence Anyways“ ist in Kinos in Wien, Innsbruck, Graz und Linz zu sehen.

Der Trailer

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