Ein Opernmärchen wurde wahr
Getrampel, Gejohle, Jubel und Ovationen – mit Gioachino Rossinis "La Cenerentola" feierte Cecilia Bartoli einen Triumph, und das in zweifacher Hinsicht. Zum einen als Intendantin der Salzburger Pfingstfestspiele, die in dieser Funktion ihrem sommerlichen Noch-Chef Alexander Pereira eine exemplarische Opernproduktion (wieder zu sehen ab 21. August) vererbt. Und zum anderen als überragende Interpretin der Titelpartie von Rossinis genialer Aschenbrödel-Version.
Aber der Reihe nach. In seiner 1817 in Rom uraufgeführten Oper erzählt Rossini vom Schicksal eines Mädchens namens Angelina, das als Aschenbrödel unter ihren bösen Halbschwestern und ihrem Stiefvater Don Magnifico leidet, ehe sie Prinz Ramiro zu seiner Prinzessin und späteren Königin macht. Dazu gibt es einen Rollentausch: Der Prinz gibt sich als Diener aus, sein Diener Dandini wiederum als Prinz, um den Charakter potenzieller Gattinnen zu testen. Am Ende sind alle glücklich, und Angelina verzeiht ihrer Verwandtschaft.
Böse und heutig
Regisseur Damiano Michieletto verlegt diese Handlung in die Gegenwart; spitzt sie zu, schärft die Konturen aller Protagonisten und versieht den Witz mit einer bitter-bösen Note. In einer dreckigen Provinz-Cafeteria fristet Angelina als Putzfrau ihr Dasein. Sie reinigt Tische und Toiletten, schrubbt den Boden und wird (teils auch handgreiflich) vom Stiefvater sowie den Provinz-Tussen Clorinda und Tisbe drangsaliert. Das Aschenbrödel als unterstes, rechtloses Glied in der menschlichen Nahrungskette. Doch glücklicherweise fällt Gott Amor – Michieletto verleiht hier der Figur von Ramiros Lehrer Alidoro einen neuen Sinn – vom Himmel und beginnt sein märchenhaftes Kuppel-Spielchen. Der Weg von der schäbigen Kneipe in Ramiros coolen Luxus-Club (beautiful people inklusive) kann beginnen ...
Michieletto und sein kongenialer Bühnenbildner Paolo Fantin erzählen all das so stringent, so klug, völlig aus der Musik heraus entwickelt, dass es ein pure Freude ist. Hinreißend auch die Kostüme von Agostino Cavalca sowie die in dieser Produktion sinnvoll eingesetzten Video-Sequenzen. Das ist zeitgemäßes Musiktheater in seiner besten Ausprägung.
Nicht minder glücklich macht die musikalische Seite, die von Cecilia Bartoli dominiert wird. Atemberaubend, wie sich die Mezzo-Sopranistin scheinbar mühelos durch alle Register singt, wie sie die anspruchsvollsten Koloraturen, die feinsten Lyrismen meistert, wie sie ihrer Angelina vokales und darstellerisches Profil verleiht. Toll.
Jung und großartig
Ebenso großartig: Der junge mexikanische Tenor Javier Camarena als Prinz Ramiro. Er verfügt über hinreißende Höhen, ein nobles, unfassbar feines Timbre; seine Stimme hat Schmelz und erinnert an die ganz Großen des lyrischen Tenorfachs.
Exzellent auch der Bariton Nicola Alaimo als köstlicher Dandini, der hier als eine Mischung aus Schlagersänger und Provinz-Politiker gezeichnet wird. Dazu kommen der solide Enzo Capuano als Don Magnifico, der sichere Ugo Guagliardo als Alidoro sowie Lynette Tapia und Hilary Summers als monströse Albtraum-Schwestern. Allein die Konzertvereinigung Wiener Staatsopernchor könnte sich noch besser den Tempi von Dirigent Jean-Christophe Spinosi anpassen. Dieser sorgt nämlich am Pult des fabelhaften Originalklang-Ensembles Matheus für einen Rossini der Extraklasse. Nuanciert, farbenreich, detailliert – so soll Oper klingen.
Werk Rossinis „La Cenerentola“ wurde 1817 in Rom uraufgeführt. Die aktuelle Produktion ist auch im Sommer bei den Salzburger Festspielen 2014 zu sehen.
Inszenierung Klug, bitterböse, analytisch, poetisch und sehr heutig.
Gesang Cecilia Bartoli in der Titelpartie und Javier Camarena führen ein sehr homogenes Ensemble an.
Dirigat Nuanciert, stringent, packend.
KURIER-Wertung:
Kommentare