Kunsthistorisches Museum: Neuer Direktor sagt einen Monat vor Antritt ab
Die Gerüchte, dass Eike Schmidt, Direktor der Uffizien, lieber in Florenz bleiben würde, statt das Kunsthistorische Museum zu übernehmen, schwirrten schon lange. Nun, genau einen Monat vor Amtsantritt, verdichteten sie sich wieder. Der KURIER kontaktierte daher Eike Schmidt am Dienstagvormittag. Doch der Manager tat so, als sei nichts. Er werde am Donnerstag bei der Tagung des österreichischen Kunsthistorikerinnen im Semperdepot einen Vortrag über das Thema „An der Schwelle. Liminalität in Theorie und kunsthistorischer Praxis“ halten, aber leider keine Zeit für ein Interview haben. Er fliege spät ein – und fliege sogleich weiter nach England. Das Pressebüro des KHM aber nehme alle Anfragen entgegen, und er stünde nach dem 1. November selbstverständlich zur Verfügung. Ja, er freue sich.
"Eigentlich beispiellos"
Doch es stimmte, was die Spatzen von den Dächern pfiffen. Und das Bundeskanzleramt bestätigte der "Presse" das Gerücht: Eike Schmidt hat telefonisch abgesagt. „Die kurzfristige Absage ist höchst unprofessionell und eigentlich beispiellos“, so Kulturminister Alexander Schallenberg. „Das Kapitel Eike Schmidt ist damit abgeschlossen. Jetzt geht es darum, rasch für klare Verhältnisse zu sorgen. Deswegen habe ich die ehestmögliche Ausschreibung der wissenschaftlichen Geschäftsführung veranlasst“, so Schallenberg.
Paul Frey, der kaufmännische Leiter des KHM, versuchte die Angelegenheit zu marginalisieren: „Wir begegnen der neuen Situation mit großer Gelassenheit. Wir haben eine aufrechte und intakte Geschäftsführung und eine detaillierte Planung bis weit in 2020/21 hinein.“ Frey, dessen Vertrag bis 2021 läuft, bereitete in den letzten zwei Jahren die Übergabe auf die neue Geschäftsführung vor. Zu den Gerüchten sagte er in der Vergangenheit immer, er sei sich sicher, dass Eike Schmidt kommen werde.
Am Freitag soll es ein Treffen zwischen dem Minister und Schmidt geben. Zudem habe er, sagt Schallenberg, Sabine Haag, die bisherige Generaldirektorin, gebeten, das KHM weiterhin interimistisch zu führen. Sie führt es bereits seit Jahresbeginn interimistisch – weil Schmidt seinen Beginn in Wien auf November verschieben ließ.
Der Coup von Drozda
Haag befindet sich gerade in den USA und war nicht erreichbar. Schmidts Absage muss aber für sie ein Triumph sein. Schließlich war sie im Sommer 2017 nicht gerade fair behandelt worden: Nach der gesetzlich vorgeschriebenen Neuausschreibung wurde sie von Thomas Drozda, dem damaligen Kulturminister (SPÖ), zur Wiederbewerbung aufgefordert: „Frau Haag ist als Titelverteidigerin eine ernst zu nehmende Kandidatin.“ Daher gab es keine Spekulationen.
Umso größer war der Coup, den Drozda zu landen vermochte. Der damalige Minister sagte bei seiner Pressekonferenz, er sei vor der prinzipiellen Wahl gestanden, Haag den soliden Weg weitergehen zu lassen – oder „eines der wichtigsten Museen bereit für die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts“ zu machen.
Der Weg von Haag
Was an einem „soliden Weg“ negativ sein soll, erklärte er nicht. Haag war genau aus diesem Grund ausgewählt worden: Um den großen Tanker nach den heftigen Turbulenzen unter Wilfried Seipel (bis Ende 2008) in ruhigere Gewässer zu führen. Die Besucherzahlen im Hauptgebäude blieben erfreulich stabil; die neu eingeführte Jahreskarte sorgte für ungeahnten Umsatz. Haag gelang die Wiedereröffnung „ihrer“ lange Zeit geschlossenen Kunstkammer; die digitalen Medien hielten, wenn auch nach anfänglicher Skepsis, in die Kunstvermittlung Einzug; mit der erfolgreichen „Ganymed“-Projektreihe kam es zur Auseinandersetzung der darstellenden mit der bildenden Kunst; und die bereits von Seipel eingeleitete Öffnung hin zur Zeitgenossenschaft erreichte mit der Retrospektive zu Lucian Freud (2013/'14) ein Glanzlicht.
Das Konzept von Schmidt
Dennoch sagte Drozda, dass ihn das Konzept von Eike Schmidt, der das KHM ins digitale Zeitalter überführen wollte, überzeugt habe. Um einen Kommentar gebeten, sagt Drozda nun: „Das ist enttäuschend – und ein klarer Vertragsbruch.“
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