Liesl Raff: Ein Club aus Latex als österreichischer Kulturexport
„Wie im Walfischbauch“ habe sich das Ambiente im Club angefühlt, erklärt Liesl Raff. Und sie freut sich sichtlich darauf, dass ihr Projekt in die nächste Phase geht: „Es wird dunkel, ölig, gut.“
Im Sommer 2023 gestaltete die Künstlerin eine Ausstellung im Kunstraum am Wiener Franz Josefs-Kai 3, und das Konzept für das Souterrain ergab sich eher aus einem Platzüberschuss, wie sie sagt. Es wurde der „Club Liaison“ daraus: Die Wände wurden mit Vorhängen aus lila gefärbtem Naturlatex verhängt, der Raum mit Skulpturen eingerichtet, die gleichzeitig als Bartische fungierten, die Frontwand in der Art einer kleinen Bühne gestaltet.
Zum Zeitpunkt der Erstinstallation wusste die aus Stuttgart gebürtige, seit langem in Wien sesshafte Künstlerin noch gar nicht, dass der Ort in dem Gründerzeithaus bereits einmal als „Underground-Club“, als jüdisches Kulturtheater, genutzt worden war. Doch der „Vibe“, wie man sagt, passte – für Ausstellungsbesucher untertags, aber auch für Performances am Abend, die im Kontext der Wiener Festwochen mit Protagonisten aus dem Tanzquartier und anderen Szenen abseits der bildenden Kunst durchgeführt wurden.
Nun also ist das Mobiliar des „Club Liaison“ im Bauch eines Frachtschiffes nach Fernost unterwegs: Als Beitrag zur Kunstbiennale in der südkoreanischen Stadt Gwangju, die im September erstmals einen „Österreich-Pavillon“ präsentieren wird. Eingefädelt hat den Transfer die Wiener Förderagentur „Phileas“, die sich um derlei internationale Platzierungen in Österreich arbeitender Künstlerinnen und Künstler bemüht – und Raff auch noch einen Auftritt bei der Biennale im französischen Lyon verschaffte, die am 21. September eröffnet.
Gesamtkunstwerk statt Fetischkult
Mit dem „Club Liaison“ führt Raff in gewisser Weise eine österreichische Tradition fort: Das Ineinander der Künste, mit Kollaborationen in die Welt von Tanz und Bühne hinein, hat Vorläufer in den Gesamtkunstwerk-Gedanken der Secession, aber auch bei kollaborativen Querdenkern wie Franz West oder Heimo Zobernig, der – wie auch Raff – als studierter Bühnenbildner startete. Die Idee, Lokale und Clubs als Orte der Kunst zu begreifen, kann sich vom secessionistischen „Cabaret Fledermaus“ über den „Strohkoffer“ der 50er Jahre bis hin zu Hans Schabus‘ Installation „Café Hansi“, das lange im mumok offenstand, ebenfalls einer soliden Wiener Ahnenreihe versichern.
Neu ist bei Raff nicht zuletzt das Material: Latex. „Wobei mich der Fetischcharakter überhaupt nicht interessiert“, wie die Künstlerin klarstellt. Zu ihrem Werkstoff, den sie in einer Werkhalle eigenhändig zu großen Planen, aber auch zu Schnüren oder Riemen verarbeitet, fand sie nach einer langen Suche. „Ich dachte, es wäre schön, mit einem weichen, flexiblen, aber doch auch starken Material zu arbeiten“, erklärt sie. „Ich finde es spannend, dass Latex alles Mögliche an Bedeutung aufnehmen kann. Wenn man das in eine lange Form gießt, können das Tentakel sein, es kann ein Zaumzeug von einem Pferd sein, aber auch eine Peitsche.“
Hommage an die Beislkultur
Wenn Raff als Bildhauerin Objekte schafft, legt sie auch gern derlei Spuren, die das Publikum dann mit Bedeutung ausfüllen kann. Bei ihren Biennale-Beiträgen geht es aber auch darum, über das Objekt hinaus einen Raum für soziale Interaktion – „Liaisonen“, also Verbindungen – zu schaffen. „In vielen großen Städten bricht der Underground weg“, sagt Raff, die in ihrer Jugend Teil der Hardcore-Punk-Szene war, wovon heute noch einige Tattoos Zeugnis ablegen.
Beisln wie das 2021 geschlossene „Nachtasyl“ waren später in ihrer Studienzeit bevorzugte Hangouts. Doch auch wenn Wiens Lokale ein besonderes Ambiente haben, sei es doch ein überregionales Phänomen, dass Rückzugsorte rar werden, findet sie. „Ich finde es schon auch interessant, dass man das trotzdem noch mit Kunst schaffen kann – einen Raum, wo Leute sichtlich so sein können, wie sie sein wollen - dezidiert auch Leute, die nicht der Kunstszene zugehörig sind“, beschreibt Raff ihre Intention.
Im „Club Liaison“ in Wien sei das Konzept aufgegangen. Wie das Publikum in Fernost reagiert, bleibt abzuwarten: Rückzugsorte kann man dort gewiss ebenso gebrauchen.
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