Die Kulturszene der Slowakei wehrt sich gegen ihre Ministerin

Anti-government protest against recent moves by the government on justice and cultural issues, in Bratislava
Die umstrittene Ministerin Martina Šimkovičová hat binnen kurzer Zeit erneut renommierte Kulturmanager abgesetzt. Tausende gingen dagegen auf die Straße.

Eines muss man Martina Šimkovičová lassen: Sie schafft es, Menschen zu mobilisieren. Tausende sind in den letzten Tagen in Bratislava gegen die Regierung des linkspopulistischen Ministerpräsidenten Robert Fico und vor allem seine nationalistische Kulturministerin auf die Straße gegangen. Die Organisatoren selbst bezifferten die Zahl der Teilnehmenden auf 18.000 Menschen. Aus der Menge ertönten Sprechchöre wie „Schande! Schande!“ gegen die Regierung. 

Hauptziel der Kritik war, dass Martina Šimkovičová  nach mehreren anderen Leitern von Kulturinstitutionen vergangene Woche innerhalb von zwei Tagen handstreichartig auch die Chefs der beiden größten Kultureinrichtungen des Landes fristlos abgesetzt hat: Matej Drličkaden Generaldirektor des Slowakischen Nationaltheaters und Alexandra Kusá, die Direktorin der Nationalgalerie. In Medien und Künstlerkreisen wird zudem erwartet, dass dem zurzeit im Urlaub weilenden Chef des Slowakischen Nationalmuseums der nächste unfreiwillige Abgang bevorsteht. Wobei:  Drlička wurde sein Abberufungsbescheid auch von Boten des Kulturministeriums nachhause in den Krankenstand zugestellt, als er noch im Bademantel war – man hatte es offenbar so eilig, dass man nicht warten konnte, bis er genesen zurück im Büro war. 

Protest im Bademantel

Der Bademantel wurde danach rasch zu einem Protestsymbol gegen die Kulturpolitik der Slowakei. Rund 50 Menschen fuhren etwa vergangenen Donnerstag zu Šimkovičovás Privatwohnsitz in die direkt an Bratislava angrenzende nordburgenländische Gemeinde Kittsee, viele von ihnen demonstrativ im Bademantel.

Die Bedeutung des Slowakischen Nationaltheaters kann man im Vergleich zu Österreich so beschreiben, als wären Staatsoper und Burgtheater in einer Institution zusammengefasst. Die Opernaufführungen werden auch von österreichischem Publikum geschätzt. Die Gründe für seine Absetzung erfuhr Drlička erst im Nachhinein – über Soziale Medien. Der vom Ex-Direktor vehement zurückgewiesene Vorwurf: Er soll politischen Aktivismus betrieben haben. Vielleicht habe es der Ministerin aber nicht gefallen, dass sich die Schauspielsparte kritisch mit der Aufarbeitung der slowakischen Vergangenheit, insbesondere der Zeit der faschistischen (1939–1945) und kommunistischen Diktaturen (1948–1989) auseinandergesetzt hat. Sein Nachfolger Anton Bittner hat keine Erfahrung im Kulturmanagement.

"Anti-slowakischer" Biennalebeitrag

Alexandra Kusa wiederum - sie hat die Gründe für ihre Absetzung einer Presseaussendung entnommen – hat Martina Šimkovičová  schon für den diesjährigen Biennale-Beitrag der Slowakei kritisiert, den sie für eine „Schande“ und einen „anti-slowakischen Akt“ hielt. In der Installation von Oto Hudec geht es um Bäume und wie man sie schützen kann.

Die von der Slowakischen Nationalpartei SNS für das Ministeramt vorgeschlagene Martina Šimkovičová  ist seit Oktober Kulturministerin – und seit damals umstritten. Sie will eine „nationale slowakische Kultur“ ohne „Gender-Wahn“. Besonders die  „LGBT-Agenda“ ist ihr ein Dorn im Auge. Sie ist der Meinung: „Europa stirbt aus, weil keine Babys mehr geboren werden, weil es so exzessiv viele LGBTQ+-Leute gibt“.  Förderungen für Kulturprojekte mit queeren Inhalten will sie daher abschaffen. Martina Šimkovičová, 52, war vor ihrer Politkarriere Nachrichtensprecherin im größten slowakischen Privatsender, wurde aber nach migrantenfeindlichen Social-Media-Postings gekündigt. Anschließend wurde sie zu einer Galionsfigur der Verschwörungsszene.

Umbau des öffentlich-rechtlichen TV

Die aktuellen Entwicklungen erinnern an Prozesse in Orbans Ungarn, auch da wurde die Kultur- und Medienszene umgebaut. Auch in der Slowakei wurde kürzlich das öffentlich-rechtliche Fernsehen RTVS aufgelöst und zum patriotischen Staatssender umorganisiert.  

Filmregisseurin Ivana Laučíková sagte der „Süddeutschen“ vor wenigen Wochen: „Sie (die Regierung, Anm.) haben ziemlich deutlich gemacht, dass sie Kunst und kulturelle Veranstaltungen zensieren wollen“. Der neue Begriff von der „slowakischen Kultur“ sei „extrem gefährlich“. Denn er bedeute, dass vermutlich Minderheiten in jeder Hinsicht ausgeschlossen werden könnten – die große ungarische Minderheit, Roma, und natürlich Homosexuelle. 

Aus Österreich meldeten sich am Mittwoch Festwochen-Intendant Milo Rau und die künstlerische Leitungsgruppe des Schauspielhaus Wien - Marie Bues, Martina Grohmann, Tobias Herzberg, Mazlum Nergiz - zu Wort und forderten Robert Fico auf, die Entlassung rückgängig zu machen „um eine weitere Beschädigung des internationalen Ansehens der Republik Slowakei sowie des Kulturlebens Ihres Landes zu verhindern.“

 

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