"Wollen die Vergangenheit nicht auslöschen"
KURIER: Herr Stadtrat, hat Wien 2012 zu einem offeneren Umgang mit den dunklen Kapiteln der Geschichte gefunden?
Andreas Mailath-Pokorny: Der Umgang hat sich in der Tat gebessert. Auch das gesellschaftliche Bewusstsein hat sich in den letzten Jahren verändert: Weg vom Verdrängen hin zu aktiver Erinnerung.
Das sind sichtbare Veränderungen. Im Hintergrund gibt es viele zivilgesellschaftliche Aktivitäten. Denken Sie daran, wie etwa die Zahl der Steine der Erinnerung zugenommen hat. Heute gibt es 300 Standorte mit mehr als 1000 Namen von Holocaustopfern. 2012 mag ein besonderes Jahr gewesen sein, ich hoffe aber, dass dieser Umgang mit der Vergangenheit Normalität wird.
Hat die Politik erst jetzt die Angst verloren, mit sichtbarer Politik Wähler zu vergraulen?
Möglich. Politiker wollen und müssen nicht mehr mit den Stimmen Ewiggestriger rechnen. Für viele von ihnen ist Recherche selbstverständlich geworden. Aber es gibt noch viel zu tun. Dass es etwa bis 2012 gedauert hat, um draufzukommen, dass das Burgtor am Heldenplatz als ein zentraler Gedenk- und Erinnerungsort Wiens eine Neudefinition benötigt, wundert mich noch immer.
Ja‚ aber nicht nur deshalb. Immerhin wird hier auch Opfern, die für die Freiheit Österreichs umgekommen sind, gedacht. Allerdings ging das bis heute unter. Ich unterstütze daher das Anliegen des Verteidigungsministers, das Burgtor neu zu gestalten.
Anders als etwa im Burgenland fehlt in Wien jene Vereinbarung, mit der man sich zur Pflege jüdischer Friedhöfe bekennt.
Die Verhandlungen zwischen Kultusgemeinde und Magistrat sind weit gediehen. Bis es so weit ist, haben wir die Sanierung des Friedhofswärterhauses in Währing mit 750.000 Euro unterstützt. Am Friedhof Seegasse restaurieren wir jährlich 50 Grabsteine. Und wir erklärten Gräber jüdischer Persönlichkeiten, wie Arthur Schnitzler, zu Ehrengräbern.
Eine Historikerkommission untersucht derzeit 4200 Wiener Straßennamen. Könnten weitere Umbenennungen folgen?
Da wäre ich zurückhaltend. Wir wollen die Vergangenheit nicht auslöschen. Eine Kontextualisierung – etwa durch Zusatztafeln – wäre besser. Bei der Umbenennung des Lueger-Rings war es anders. Immerhin gibt es in Wien weitere 13 Orte, die an den einstigen Bürgermeister erinnern und schließlich war die Namensänderung auch Wunsch der Universität.
"Ich halte nichts von Verbotspolitik. Und mit Drohungen kommen wir nicht weiter"
Jede Form der Drohung ist für mich ein Zeichen von Schwäche. Der Gemeinderat hat sich deshalb auch gegen jegliche Zensur ausgesprochen. Peinlich genug, dass das 2012 noch nötig ist.
Sollte die Stadt Subventionsnehmer stärker an die Kandare nehmen – für bedenkliche Bands, keine Förderungen?
Wo führt das hin? Zuletzt trat Marilyn Manson in der Stadthalle auf. Nur weil er auf Englisch singt, sind die Texte nicht weniger gewalttätig. Ich halte nichts von Verbotspolitik. Und mit Drohungen – und eine solche war es – kommen wir nicht weiter. Die Förderungen für den Gasometer wurden im Übrigen einstimmig beschlossen.
Warum haben Sie die Absage des Hinichen-Konzerts dann nicht verhindert?
Das war letztlich die Entscheidung des Veranstalters.
Es geht nur noch um diese beiden Standorte. Aber noch ist keine Entscheidung gefallen. Derzeit prüfen wir eine Förderung durch die Europäische Union. Mein Ziel bleibt aber, noch vor 2015 mit dem Bau zu beginnen.
Stimmen die kolportierten Kosten von 90 Mio. Euro?
Ähnliche Projekte kosten im internationalen Vergleich jedenfalls deutlich unter 100 Mio. Euro.
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