Kultursommer Wien: Donaupiraten im Karl-Marx-Hof, Kafka am Naschmarkt
Am Vormittag ausgestattet mit Sonnencreme, Kopfbedeckung und kleinen Obststückchen, am Abend mit Bier, Zigaretten und dem ein oder anderen Kebap, pilgern auch dieses Jahr wieder zahlreiche Besucher:innen an verschiedene Orte in ganz Wien. Der Kultursommer ist in vollem Gange und bietet für Groß und Klein ein umfangreiches Programm - kostenlos und im Freien.
Kinderprogramm
Es ist warm hier im Karl-Marx-Hof im 19. Wiener Bezirk um halb elf Uhr morgens. Zwischen den Gemeindewohnungen stehen gelbe Liegestühle, hölzerne Gartenmöbel und weiße Schirme - bunte Matten liegen in den ersten Reihen bereit. Vor allem Kindergartengruppen sind anwesend, doch auch einige Eltern und Großeltern sind mit ihrem Nachwuchs hier. Auf der Bühne stehen Nina und Alois Bauernfeind, die in einem Lesekonzert - wobei es wesentlich mehr singen als lesen ist - die Geschichten der Donaupiraten aus dem Land Asagan vortragen. Auch wenn die Kinder nur zögerlich mittanzen und mitsingen, zwischendurch ein paar Zuschauer:innen gehen und die Tonlage nicht immer einwandfrei getroffen wird, liegt eine entspannte und freudige Atmosphäre in der Luft.
Zahlreiche Performance am Abend
Trotz des Altersunterschiedes geht es am Abend ähnlich zu. Auch am Naschmarkt stehen eine Menge Tische und Stühle, das so herrlich zum Ausreißen geeignete Gras gibt es hier leider nicht. Die Bühne ist - kaum zu glauben - noch viel kleiner als die im Karl-Marx-Hof, doch ausreichend groß für Stanislaus Dick, Kafkas Verwandlung in ungewohnter und experimenteller Form aufzuführen. Trotz skurriler, kaum geprobt wirkender und aus zeitlichen Gründen abgekürzter Performance ist die Stimmung gut und dem Künstler wird ausreichend Respekt gezollt. Die Menschen genießen sichtlich den lauwarmen Abend und die Möglichkeit der kostenlosen Kultur.
Volles Programm
Der Kultursommer Wien findet heuer zum dritten Mal statt und bietet noch bis 14. August jeweils von Donnerstag bis Sonntag in zehn Bezirken verschiedene Veranstaltungen an. Das Programm ist umfangreich und umfasst Lesungen, Kabaretts, Theater- und Tanzaufführungen sowie Konzerte. Über 600 verschiedene Acts werden innerhalb von sieben Wochen aufgeführt. Vorwiegend in den Wiener Außenbezirken lassen sich die Locations finden, an manchen Orten würde man eine Kulturveranstaltung nicht wirklich vermuten. In der Muthsamgasse im 14. Bezirk beispielsweise ist die Bühne eingepfercht zwischen einem riesigen Gebäude, einem Spielplatz und einer Baustelle. Am Naschmarkt ist das Areal direkt neben der rechten Wienzeile - die Autos irritieren aber erstaunlicherweise kein einziges Mal.
Kultur ist für alle da
Hinter der Veranstaltungsreihe steht der Gedanke, Kultur für alle Menschen möglich zu machen. Das Vermittlungsteam arbeitet dafür mit verschiedenen Initiativen zusammen, der Fokus soll auf Mehrsprachigkeit, Inklusion und Barrierefreiheit liegen.
Kunst- und Kulturveranstaltungen sind meist teuer und daher gerade für Personen aus ärmlichen Verhältnissen nicht leistbar. Hinzu kommt, dass vielen der Zugang zu Kultur fehlt, wenn sie nicht vom Elternhaus oder der Schule dafür sensibilisiert werden. Das Angebot der Stadt Wien bietet hier eine Möglichkeit ein verschiedene Genres einer breiten Bevölkerung näher zu bringen. Ob das wirklich gelingt und sich nicht einfach wieder die üblichen Theater- und Konzertbesucher:innern vor den Bühnen versammeln bleibt nach einem Blick auf die Anwesenden fraglich.
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