Da ist einmal die Arbeit „Pandemic Pandemonium“ des französischen Künstlers Neil Beloufa und seines Teams namens EBB in der Wiener Secession (bis 4. September) – ein begehbares Spiel mit mehreren Abschnitten, bewusst als trashig-klotzige Satire angelegt. Besucher brauchen zum vollen Erlebnis ein Extra-Ticket mit QR-Code (2 €) und müssen auf ihrem Nutzerkonto Punkte sammeln – allein dies eine Parodie auf den Scan-Zwang und die „gamifizierte“ Belohnungslogik, die vom Corona-Test bis zum Supermarkteinkauf alles strukturiert.
„Meine Kinder sind es gewohnt, Werbung anzuschauen, um Zugang zu allerlei Sachen zu erhalten – ich dachte, ich ersetze die Werbung durch Kunst“, sagt Beloufa lapidar dazu. Die „Werbevideos“ sind Abschnitte eines Films, den Beloufa bereits 2014 drehte – und der die Situation voraussah, dass eine Pandemie Menschen dazu zwingt, nur über Bildschirme miteinander zu kommunizieren. Elemente aus den Clips werden in der Secession in einem Quiz abgefragt – an Spielautomaten mit tapsiger Riesentastatur oder Tipp-Armen, die das Antworten möglichst umständlich machen.
Wer die Klingel-Klingel-Blink-Atmosphäre der Spielsäle in Adria-Urlaubsorten mag, wird es lieben: Hier ist alles noch schriller, dabei aber großflächig mit kritischem Geist übersät. Ein bisschen wirkt es allerdings, als hätte Beloufa gar viel hineingepackt, um möglichst alle Knöpfe der Zivilisationskritik zu drücken – es geht im Spiel nämlich auch noch um Steuervermeidung, um Sand (als rarem Rohstoff) und um den NFT-Boom: Dass die Bildchen, die man selbst gestalten kann, äußerst banal sind, darf man als Kritik am Kunst-Trend verstehen. Dann schon lieber ein guter alter Siebdruck – einen solchen gibt es nämlich auch zu gewinnen.
Ganz anders, nämlich im Hochglanzformat, geht die Schau „Pardon Our Dust“ im MAK (bis 25. 9.) an die Gaming-Welt heran: Hier stellt LaTurbo Avedon aus, eine Künstlerpersönlichkeit, die nur als Avatar existiert. In der MAK-Schau begegnet Avedon (vom Geschlecht her wenig überraschend „nonbinär“) auf mehreren Screens, oft umrahmt von Zeichen und Ornamenten, wie man sie von Charakterprofilen bei Games kennt. Doch Avedon ist ein Gestaltwandler: 2008 tauchte der Avatar erstmals im Ur-Metaversum „Second Life“ auf, auch in den Spieluniversen von Fortnite und Star Citizen ist die KünstlerIn zu Hause.
Im MAK fängt einen jedenfalls die schiere Brillanz der Bilder ein: Man sieht eine überflutete Tankstelle in der Dunkelheit, unheimlich vernebelte Vorstadtgegenden, manche Bilder werden auch mithilfe Künstlicher Intelligenz ins Abstrakte gekippt.
Zwar gibt es Konzepte hinter den Motiven – so spielen etwa Häuser in der Videosequenz auf die „Landnahme“ im digitalen Raum an, das Wasser in den Videos soll an den Fluss Lethe anknüpfen, der in der antiken Mythologie Vergessen verheißt.
Doch ist es die Abstraktion und Verrätselung, die Avedons Bilder von ihren Wurzeln in der Gaming-Ästhetik abkoppelt und auch von der Gefahr entfernt, Vorgänge im digitalen Raum nur platt zu illustrieren. Wer wissen will, wie sich die Formbarkeit des Digitalen anfühlt, kann hier einfach einmal schauen.
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