Kulturhauptstadt-Chefin: „Der Teufel versteht nichts von Kunst“
Elisabeth Schweeger, Chefin der Kulturhauptstadt, macht es den „Salzkammergütlern“ nicht leicht. Und gibt sich weiterhin unerschrocken. Denn Angst essen Seele auf, wie die 70-jährige Wienerin weiß.
KURIER: Jetzt ist mehr als ein halbes Jahr vorbei. Und Sie haben die Widerständigen nicht ins Boot holen können. Elisabeth Schweeger: Das stimmt nicht. Es gibt viele, die ihre Meinung geändert haben – auch im Ausseerland.
Es gab Ende Juni im dortigen Gasthaus Berndl eine von der „Kleinen Zeitung“ veranstaltete Diskussion …
Geplant war ein „Stammtisch“, wie wir ihn mehrfach mit den Oberösterreichischen Nachrichten gemacht haben. Aber es wurde auf Wunsch der Kleinen Zeitung ein moderiertes Gespräch. Daher konnten sich nicht alle zu Wort melden. Das passiert mir nur einmal!
Laut „Alpenpost“ soll es „befremdliche Schreiduelle“ mit Ihnen gegeben haben.
Ich finde es gut, dass heiß debattiert wird. Wenn alle einer Meinung wären, hätten wir etwas falsch gemacht. Schwierig wird es nur, wenn sich die Leute nichts anschauen, aber trotzdem das Programm kritisieren. Tatsache ist: Die Ausstellungen sind voll, die Vorstellungen sind voll. Beim grandiosen Bruckner-Konzert in den Salinen waren 2.000 Leute, bei Mahlers Zweiter in der Sporthalle von Steinbach über 1.100 Leute – hauptsächlich Menschen aus der Region! Aber von denen, die das große Wort führen, hab’ ich keinen gesehen. Ganz im Gegensatz zu den Bürgermeisterinnen der 23 Gemeinden: Die kommen, die tauschen sich aus. Franz Frosch von Bad Aussee hat erst kürzlich wieder betont: Der Pötschen, der ja das Salzkammergut teilt, verschwindet, er sei keine Grenze mehr. Das ist das, was wir wollen.
Für Erregung hat der „Pudertanz“ zur Eröffnung gesorgt, aber auch die rosa Skulptur in Bad Aussee erzürnt. Warum eigentlich?
Einige wenige regen sich auf! Dabei stammt sie von einem hiesigen Künstler: Wolfgang Müllegger hat zusammen mit Georg Holzmann eine Riesenplätte gebaut, darauf ein kleines Boot, mit dem sie auf der ehemaligen Salzroute bis nach Temesvar schipperten. Bei der Rückkehr haben sie die Riesenplätte zersägt und daraus eine Skulptur gebaut. Die steht eben jetzt prominent in Bad Aussee. Schade, dass man sich darüber erregt. Dass wir aber die „Narzissenpost“, eine Art Wandzeitung auf vier Litfaßsäulen, gegründet haben, die sehr erfolgreich ist: Darüber schweigt man gerne!
Auch Hannes Androsch, der Salzbaron, kritisiert …
Also mit dem Bruckner-Konzert in den Salinen war er zufrieden, denn er sagte zu mir: „Es war Ihre Idee – gratuliere!“ Und er ließ sich auch fotografieren.
Der „Traunspiegel“ zitiert ihn mit: „Es ist jetzt Halbzeit bei der Kulturhauptstadt. Ich kann bisher nichts Nachhaltiges erkennen, dafür viel Exotisches, was nichts mit dem Salzkammergut zu tun hat, auch nicht mit Europa.“
Was soll ich sagen? Ich glaube, da hat er wohl vieles nicht gesehen. Nur als Beispiel: In der Ausstellung im Sudhaus von Bad Ischl – „Kunst mit Salz & Wasser“ – sieht man internationale Positionen zu wichtigen Themen, die Europa und die Region betreffen.
Androsch zählt viele Namen auf, die mit dem Salzkammergut verbunden sind, darunter Stifter, Brahms, Mahler, Lenau: „Daraus hätten viele Projekte entstehen können. Stattdessen wird in Goisern ein Wohnzimmer eingerichtet, zugeschüttet und wieder ausgegraben. So etwas kann dem Teufel im Zorn nicht einfallen.“
Weil der Teufel nichts von Kunst versteht. Wir haben Arnold Schönberg geehrt, Gustav Mahler, Stefan Zweig – die Lesung von Tobias Moretti war großartig. Da ging es übrigens um Europa! Wenn man sagt, hier geht’s nicht europäisch zu, dann will man es einfach nicht wissen. Das finde ich schon ein bisschen schade. Soll ich noch ein paar Namen aufzählen?
Was ist mit Lenau?
Muss man nicht ehren. Es geht ja auch nicht darum, dass man auf alle Künstler hinweist, die hier waren. Wir ehren aber Liesel Salzer, die vertrieben wurde. Und es gibt in Ebensee eine Ausstellung über Ceija Stojka, die drei Konzentrationslager überlebt hat. Sie ist eine Europäerin.
Wie geht’s dem antisemitischen Hymnendichter?
Das ist echt schwierig. Um den Franz-Stelzhamer-Kai in Bad Ischl umzubenennen, bräuchte man einen viel längeren Arm. Ich konnte nur sagen: Zur Eröffnung wird die Landeshymne nicht gespielt. Und sie wurde nicht gespielt.
Werden Sie weiterhin angefeindet?
Früher haben mich die Leute nicht einmal angeschaut, mittlerweile grüßen sie mich. Dass man nicht immer geliebt wird, ist klar. Ich bin seit 50 Jahren in dem Geschäft. Wenn man nur arbeitet, um geliebt zu werden, wird man nicht weit kommen.
Und wie weit sind Sie schon gekommen?
Wenn ich mir nur das Handwerkshaus anschaue: Was es da für einen Austausch zwischen Künstlerinnen und Designerinnen mit der lokalen Bevölkerung gibt! Das brummt! Ich denk’ mir: Da hab’ ich gewonnen! Oder: Die Gmundner Keramik und die Academy of Ceramic hatten mit den grünen Männchen des Finnen Kim Simonsson in kürzester Zeit 15.000 Besucher. Auch die Installation von Chiharu Shiota im Gedenkstollen stößt auf sehr großes Interesse. Und die Fête de la Musique war ein voller Erfolg: Jede Gemeinde hat mit Musikkapellen und Chören mitgemacht, auch jene in der Steiermark. Ja, man hat gesehen, wie die Region zusammenwächst! Das Programm ist für sie gemacht, und ich glaube, es macht etwas mit der Region. Auch hinsichtlich Nachhaltigkeit.
Na ja, das Stadtmuseum von Ischl wurde neu aufgestellt, aber das frisch angefarbelte Lehár-Theater ist weiterhin renovierungsbedürftig.
Es wird schon noch renoviert! Aus einer Lagerhalle in Gmunden wurde das Kunsthaus Blaue Butter – allein schon der Name ist großartig! Der Eingangsbereich und der Ausstellungsraum der Salzwelten haben nun eine Großzügigkeit! Und aus dem Sudhaus wird wohl ein Kulturzentrum werden.
Davon spricht man schon lange, passiert ist nichts.
Ich weiß nur, dass es 40 Jahre leer stand. Und ich habe Androsch gefragt, ob wir es für eine Ausstellung nutzen dürfen. Er hat zugestimmt. Künftig soll die Stadtbibliothek hineinkommen – und, soviel ich weiß, ein Museum und ein Kulturzentrum. Wenn das passiert: Super! Und die Bespielung der Bahnhöfe: Das ist doch auch eine Erfolgsgeschichte! Im Hallstätter Bahnhof, der nun unter Denkmalschutz steht, werden jetzt Ausstellungen gezeigt. Oder: Die Wirtshauslabore, betrieben von den Schülerinnen der Tourismusschule, haben derart eingeschlagen, dass es jetzt 40 Prozent mehr Anmeldungen für die Ausbildung gibt. Auch das ist Nachhaltigkeit!
Was erwartet uns sonst noch für die zweite Halbzeit?
Viel! Ende August starten wir wieder durch – mit Heiner Goebbels Erstaufführung „Everything That Happened and Would Happen“ im ehemaligen Salzlager von Hallein, mit der Welturaufführung von Bill Fontanas Klanginstallation „Silent Echoes“ in den Dachsteinhöhlen. Und Klaus Maria Brandauer liest am 12. September in der Stadtpfarrkirche von Ischl Éric Vuillard.
Sie kommen weiterhin mit dem kargen Budget aus?
Sicher! Ich setze ja das Programm mit Manuela Reichert um. Und es sind immer die Frauen, die mit dem Geld auskommen. Aber es wird nichts übrig bleiben.
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