Kultur steht weitgehend still: Diagonale abgesagt, Bundesmuseen schließen

"GROSSER DIAGONALE SCHAUSPIELPREIS": HÖGLINGER/SCHERNHUBER
Die Maßnahmen für viele Museen zur Eindämmung des Coronavirus gelten bis zumindest Ende März. Amadeus Awards werden verschoben. Kulturschaffende fordern Krisengipfel.
  • Bundesmuseen schließen, auch viele weitere Museen in ganz Österreich
  • Filmfestival Diagonale abgesagt
  • Amadeus Awards und Art Vienna in den Herbst verschoben
  • Theater und Konzerte besonders von Beschränkung auf 100 Personen bei Indoor-Veranstaltungen betroffen
  • Wiener Hauptbücherei der Stadt Wien ab Donnerstag geschlossen
  • Wiener Festwochen gehen von Durchführung aus
  • Kulturschaffende befürchten "Einkommenskatastrophe"
  • Grüner Appell an Medien, Kultur zu senden

Die Maßnahmen der Bundesregierung zur Bekämpfung des Coronavirus stellen den heimischen Kulturbetrieb vor große Herausforderungen. 

Die Diagonale, das Filmfestival des österreichischen Films in Graz (vom 24. bis zum 29. März), ist abgesagt. "Ob der erhöhten Reiseaktivitäten von nationalen und internationalen Gästen sowie einer starken Verschränkung innerhalb einzelner, auch weniger als 100 Besucher/innen zählender Programmpunkte versteht sich diese Absage als alternativlos", heißt es in einer Aussendung. "Rechtliche Vereinbarungen, temporäre Verträge sowie finanzielle und personelle Ressourcen machen eine Verschiebung zudem unmöglich."

Die Absage schmerze persönlich, sagten die Festivalchefs Peter Schernhuber und Sebastian Höglinger. Vor allem aber bedauere man diese "schweren Herzens" und "nicht leichtfertig getroffene Entscheidung" für alle Filmschaffenden, alle Kinogänger, Partner und Wegbegleiter. "Nicht zuletzt angesichts der gesundheitlichen Gefährdungslage für unsere Mitarbeiter und Gäste scheint uns selbst eine abgespeckte Festivalversion unter den ausgegebenen Direktiven und nach Rücksprache mit den Behörden leider nicht umsetzbar."
 
Einzelne Veranstaltungen wie das Festkonzert im Musikverein für Steiermark würden zu einem späteren Zeitpunkt nachgeholt. Näheres wird auf der Website der Diagonale bekanntgegeben.

Amadeus verschoben

Die für den 23. April geplanten Amadeus Awards werden verschoben. An einem Ersatztermin für die Preisverleihung in der Wiener Stadthalle wird intensiv gearbeitet. Voraussichtlich wird der Amadeus in der ersten September-Hälfte stattfinden. Bereits erworbene Tickets behalten ihre Gültigkeit oder werden kostenlos refundiert. Das Voting für den Musikpreis läuft unterdessen wie geplant bis Freitag, 13. März, weiter.

Auch die Kunstmesse Art Vienna von 27. bis 29. März kann nicht abgehalten werden kann. Dem Veranstalter sei es gelungen, einen Ersatztermin vom 11. bis 13. September in der Wiener Hofburg zu organisieren, vorbehaltlich weiterer Maßnahmen der Bundesregierung bzw. der zuständigen Behörden.

Einheitliche Lösung für Bundesmuseen

Die am Dienstagnachmittag noch abwartenden Bundesmuseen ziehen nun nach: Die österreichischen Bundesmuseen werden als Maßnahme zur Eindämmung des Coronavirus heute nicht aufsperren und bis zumindest Ende März geschlossen bleiben. Nach Vorliegen des ausformulierten Erlasses der Regierung habe sich die Bundesmuseen-Direktorenkonferenz in der vergangenen Nacht entschlossen, einer entsprechenden Empfehlung zu folgen, sagte ÖNB-Generaldirektorin Johanna Rachinger der APA.

Die Formulierungen des Erlasses hätten Interpretationsspielraum gelassen, so Albertina-Generaldirektor Klaus Albrecht Schröder. Man habe aber eine einheitliche Lösung für alle Häuser angestrebt, die der Empfehlung des Bundeskanzleramtes und des Kunst- und Kulturstaatssekretariats Folge leiste. Die Albertina sagt den heutigen Pressetermin für die neue „Albertina modern“ ab und verzichtet auch auf die für Freitag vorgesehen gewesene erstmalige Publikumsöffnung der neuen Räumlichkeiten im renovierten Künstlerhaus. Man hoffe, im April aufsperren zu können und werde dann auch die abgesagten Eröffnungsfeierlichkeiten nachholen.

Die Bundesmuseen sind:

  • Albertina
  • Kunsthistorisches Museum
  • Belvedere
  • MAK
  • MUMOK
  • Naturhistorisches Museum
  • Technisches Museum
  • Nationalbibliothek

"Gravierende Auswirkungen"

Die Österreichische Nationalbibliothek schließt auch ihre Lesesäle, sagte Rachinger, die derzeit den Vorsitz der Bundesmuseen-Direktorenkonferenz innehat. In den vergangenen Tagen seien vor allem in den normalerweise stark von Touristen frequentierten Museen große Besuchereinbußen zu verzeichnen gewesen. Auch zahlreiche eingemietete Veranstaltungen seien bereits von Kunden abgesagt worden. Der Entfall von Eintrittsgeldern und Mieteinnahmen werde in den Museen zu einer schwierigen wirtschaftlichen Situation führen, die sicher thematisiert werden müsste. „Es wird schwierig werden, unsere Budgets zu halten.“

"Das gesundheitliche Wohlsein unserer Besucher und Mitarbeiter steht absolut im Vordergrund", sagt KHM-Direktorin Sabine Haag, wenngleich die finanziellen Auswirkungen gravierend sind".

"Alle Annahmen für das Ergebnis 2020 sind mit dem heutigen Tag hinfällig geworden", sagte Haag am Mittwoch im Gespräch mit der APA. Die aktuelle Situation sei mit einem großen Unsicherheitsfaktor verbunden. "Wir gehen derzeit davon aus, dass wir bis 3. April geschlossen haben. Aber es ist nicht auszuschließen, dass es länger dauern wird." 

Museen der Stadt Wien ziehen nach, Hauptbücherei schließt

Auch die Museen der Stadt Wien bleiben bis auf weiteres geschlossen. Diese Maßnahme erfolge "analog zu den Bundesmuseen", sagte Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) . Einerseits geht es da um Kunsthalle und Wien Museum / MUSA, andererseits um die Wien-Holding-Betriebe (Jüdisches Museum, Mozarthaus, Haus der Musik, KunstHausWien).

Die Hauptbücherei der Stadt Wien bleibt "entsprechend der Verordnung betreffend Maßnahmen gegen die Weiterverbreitung des neuartigen Coronavirus (SARS-CoV-2) des Magistrates der Stadt Wien" ab Donnerstag geschlossen. Als Begründung wurde die hohe Besucherfrequenz angeführt. Die Maßnahme gilt zunächst bis 3. April. Die 38 Zweigstellen der Stadt Wien Büchereien bleiben geöffnet.

Bereits ausgeborgte Medien, neben Büchern auch CDs, DVDs und andere Medien, werden automatisch verlängert, bis eine Rückgabe wieder möglich ist. Während der Schließzeit fallen keine neuen Verspätungsgebühren für in der Hauptbücherei entliehene Medien an. Die digitalen Medien der Stadt Wien Büchereien stehen weiterhin zur Verfügung.

HGM und Leopold Museum schließen

Ab dem morgigen Donnerstag geschlossen wird dagegen das Heeresgeschichtliche Museum in Wien. Das soll vorerst bis "voraussichtlich Ende März" so bleiben, wurde der APA in einer schriftlichen Stellungnahme mitgeteilt. Abgesagt wurden auch die dort für das Wochenende angesetzte Modellbaumesse "GoModelling" sowie ein Vortrag ("Zwischen Armeedeutsch und Armeeslawisch") am 17. März.

Das Leopold Museum schließt bis Ende März. Das teilte das Wiener Haus in einer Aussendung mit. Auch das Bank Austria Kunstforum schließt sich diesen Maßnahmen an (bis 3. April). Allfällige Veranstaltungen werden abgesagt oder auf einen späteren Zeitpunkt verschoben.

"Wir möchten unsere Besucherinnen und Besucher keinesfalls dem Risiko einer möglichen Ansteckung aussetzen“, erklärt Direktorin Ingied Brugger die Entscheidung. Betroffen sind die Ausstellungen „The Cindy Sherman Effect“ und „collected#9/#10“ sowie sämtliche Sonder-, Abend- und Vermittlungsveranstaltungen wie auch das Pop-up-Konzert mit Ankathie Koi am 26. März 2020.

Secession vorerst offen

"Der Zeit ihre Kunst, der Kunst ihre Freiheit" - ihrem historischen Motto bleibt die Wiener Secession treu und bleibt vorerst geöffnet. "Wir stellen sicher, dass die vorgegebene Personenanzahl von maximal 100 Personen im Haus nicht überschritten wird", heißt es gegenüber dem KURIER. Aber: "Nachdem die Sicherheit von MitarbeiterInnen und BesucherInnen für die Secession oberste Priorität hat, werden Maßnahmen fortlaufend angepasst."

Coronavirus: Absagen für Kulturevents in Österreich

Museen in NÖ sperren zu

Die Niederösterreichische Kulturwirtschaft GmbH (NÖKU) stellt ab Donnerstag bis 3. April den gesamten Veranstaltungs- und Ausstellungsbetrieb ein. "In einer dramatischen Situation müssen wir dramatische Maßnahmen setzen", teilte Geschäftsführer Paul Gessl per Aussendung mit.

Zur NÖKU gehören viele große niederösterreichische Kulturinstitutionen wie die Kunstmeile Krems, das Arnulf Rainer Museum, die Landesgalerie Niederösterreich, die Schallaburg und das Festspielhaus St. Pölten. Bei bereits erworbenen Karten sollen die Kunden von den jeweiligen Betrieben kontaktiert werden. Bei Fremdveranstaltungen in den Häusern der NÖKU-Gruppe liege die Verantwortung beim Veranstalter, eine Verschiebung wird jedoch empfohlen.

Auch die Kultur.Region.Niederösterreich verschiebt oder annulliert bis Ende März viele Termine. "Nicht nur Großveranstaltungen, die zentral organisiert wurden, sind betroffen, sondern viele lokale und regionale Ereignisse. Wir bitten um Verständnis", so Holdinggeschäftsführer Martin Lammerhuber in einer Aussendung.

Andere Kulturbetriebe werden jedoch weiterarbeiten. Schloss Hof soll demnach vorerst weiter geöffnet bleiben, wenngleich Veranstaltungen abgesagt sind. Auch das Stadttheater Mödling will den Betrieb fortführen, die Zuschauerzahl sei jedoch auf 95 beschränkt. Auch die Premiere von "Die Königin ist tot" nach Olga Flor in den Kasematten Wiener Neustadt soll am Donnerstag programmgemäß stattfinden.

Hin und Her bei steirischem Universalmuseum

Der Interpretationsspielraum bei den behördlichen Vorgaben zeigt sich anhand des steirischen Universalmuseums Joanneum. Zunächst hieß es am Mittwochvormittag, alle Standorte bleiben vorerst offen, lediglich Veranstaltungen mit mehr als 100 Teilnehmern würden abgesagt.

Zu Mittag sagte dann Kulturlandesrat Christopher Drexler (ÖVP) bei einer Pressekonferenz nach einer Sondersitzung der Landesregierung: Die Standorte wurden am Nachmittag vorerst alle geschlossen, ebenso die Landesbibliothek und das Landessportzentrum. Der Ticketverkauf sei um 11.00 Uhr eingestellt worden.

Salzburgs Museen für maximal 100 Besucher offen

In Salzburg bleiben die bekanntesten Museen trotz Coronavirus vorerst geöffnet. Das Museum der Moderne lässt an den beiden Standorten Mönchsberg und Rupertinum aber maximal 100 Besucher gleichzeitig in die Ausstellungen, wie der Homepage zu entnehmen ist.

Dasselbe gilt für das Salzburg Museum, das neben dem Haupthaus (neue Residenz) auch noch das Panoramamuseum, das Festungsmuseum, das Spielzeugmuseum und das Keltenmuseum in Hallein betreibt. 

Museen in Oberösterreich bleiben vorerst geöffnet

In den Museen in Oberösterreich sind Besuche derzeit noch möglich, es gibt aber diverse Einschränkungen: So soll darauf geachtet werden, dass sich nicht mehr als 100 Personen gleichzeitig in den Ausstellungsräumen befinden. Veranstaltungen sowie Vernissagen finden nicht statt.

"In den Oberösterreichischen Landesmuseen, dem Oö. Kulturquartier, dem StifterHaus und der Landesbibliothek werden alle Veranstaltungen und Eröffnungen abgesagt", meinte Landeshauptmann Thomas Stelzer (ÖVP), der auch für die Kultur zuständig ist, nachdem der Krisenstab des Landes am Mittwoch seine Arbeit aufgenommen hat. Die Regelung gelte erst einmal bis 31. März. Der Bibliotheksbetrieb ist eingeschränkt möglich, ebenso wie Individualbesuche in den Museen da es noch keine andersartigen Empfehlungen des Bundes gebe, führte Stelzer weiter aus.

Bei den Linzer Museen Lentos und Nordico stand vorerst noch nicht fest, wie man mit der Situation umgehen wird. Das Ars Electronica Center hat "noch" geöffnet, ließ Pressesprecher Christopher Sonnleitner die APA wissen. "Auf 6.500 Quadratmetern verteilen sich die Leute", argumentierte er. Die Vorführungen im Deep Space, Schulklassen-Besuche und Firmen-Events sind jedoch abgesagt oder verschoben.

Reisetätigkeit und Auslandsaktivitäten der Ars Electronica wie Ausstellungen, Umsetzung und Entwicklung von Events und Performances sind auf das notwendigste beschränkt. In China hätten die Partner ohnehin auch die Arbeit eingestellt. Derzeit geht man davon aus, dass das Festival im September in Linz nicht in Gefahr ist.

Slagmuylder: "Gehen davon aus, dass Festwochen stattfinden" 

Vor wenigen Tagen gab der Intendant der Wiener Festwochen, Christophe Slagmuylder, das Programm seiner zweiten Festivalausgabe bekannt. Seither haben sich die äußeren Umstände stark geändert. Slagmuylder im Gespräch mit der APA: "Für uns ist es eine komplett neue Situation, mit der wir uns befassen müssen. Von den Künstlern gibt es derzeit - anders als bei anderen Festivals in Europa -- noch keine Absagen. Wir werden sehen, wie sich diese Situation nun nach den aktuellen Geschehnissen weiterentwickelt. Dieses Jahr arbeiten wir kaum mit Künstlern und Künstlerinnen aus Asien, und aus Italien kommt nur Romeo Castellucci. Ich habe am Wochenende mit ihm telefoniert. Er hält sich derzeit in Cesena auf. Er klang nicht panisch, aber natürlich ist es auch für ihn eine außergewöhnliche Situation. Er würde Anfang Juni nach Wien kommen, wir haben also noch einige Zeit bis dahin. Derzeit gehen wir davon aus, dass die Festwochen stattfinden und arbeiten weiter an den Vorbereitungen. Da der aktuelle Veranstaltungserlass bis Anfang April ausgesprochen wurde, hoffen wir bis zum Start Mitte Mai auf eine Entspannung der Lage. Aber wir können natürlich keinerlei Prognosen machen."

Die diversen Konzerthäuser und Theaterbühnen sind freilich stark betroffen. Im Wiener Musikverein finden bis vorläufig 3. April keinerlei Veranstaltungen statt. Für Konzerte, die von der Gesellschaft der Musikfreunde in Wien veranstaltet werden, wird es keine Ersatztermine geben, informierte man per Aussendung. Dies betreffe auch alle Abonnementkonzerte in diesem Zeitraum.

Für Konzerte von anderen Veranstaltern obliege die Entscheidung über einen Ersatztermin oder eine ersatzlose Absage den jeweiligen Veranstaltern. Der Musikverein verweist für weitere Informationen und die Abwicklung der Refundierungen auf seine Webseite und Kommunikation per Email. Von Anrufen bittet man abzusehen.

Für dem behördlich abgesagten Termin des britischen Komikers Ricky Gervais in der Wiener Stadthalle wurde bereits ein Ersatztermin gefunden: Die "Supernatural"-Show findet nunmehr am 13. November statt. 

Sperrstund' für Stadtsaal und Simpl

Auch die Kabarettszene trifft der Erlass der Bundesregierung. je nach Größe des Zuschauerraums. Im Wiener Stadtsaal, einer der größten Kleinkunstbühnen Wiens, finden ab sofort bis einschließlich 2. April keine Veranstaltungen statt. Fast alle betroffenen Veranstaltungen konnten auf einen späteren Zeitpunkt verschoben werden, über die neuen Termine informiert der Stadtsaal auf seiner Webseite.

Man bitte die Besucher, "nach Möglichkeit die Ersatztermine wahr zu nehmen", wenngleich der Kaufpreis andernfalls freilich rückerstattet werde. Durch die Verschiebungen hoffe man, den wirtschaftlichen Schaden so gering wie möglich zu halten.

Auch das Kabarett Simpl wird alle Vorstellungen bis 2. April verschieben. Die Modalitäten entsprechen denen des Stadtsaals, die Ersatztermine werden auf der Webseite aufgelistet.

Die Premiere für die Bühnen-Late-Night-Show "Scheuba schaut nach" (geplant für 13. März) wird demnach in den Herbst verschoben.

Digitales Konzert

Die Vienna Songwriting Association gab bekannt, das zweitägige "Sinnesrauschen" am 20. und 21. März streichen zu müssen. Im Wiener Haus der Musik wären dabei Bands wie Garish, Viech oder Mark Peters and The Dark Band aufgetreten. Nichts wird es auch mit der aktuellen Tour der Wiener Dialektrapper Kreiml & Samurai, die ihr Album "Auf olle 4re" beworben hätten. Stattdessen setzt das Duo auf das Motto "Auf olle Viren" und spielt am 21. März um 20 Uhr ein digitales Konzert, das via Facebook-Livestream verfolgt werden kann. An Ersatzterminen für die Tour werde unterdessen gearbeitet.

Auf eine geteilte Lösung setzt das Animationsfilmfestival Tricky Women/Tricky Realities: Die feierliche Eröffnung, die heute Abend im Gartenbaukino angesetzt war, musste "schweren Herzens" abgesagt werden, die weiteren Veranstaltungen sollen aber stattfinden. Man werde jedoch die verfügbare Ticketzahl auf 100 begrenzen. Den selben Weg schlägt das in sechs Bundesländern angesetzte Filmfestival Hunger.Macht.Profite ein, hier soll die Grenze bei 90 Besuchern pro Veranstaltung liegen.

Schubert Theater: "Wir spielen!"

Verzichten muss man auf die Eröffnung der Ausstellung "Multiple Singularities" am morgigen Donnerstag im xE Ausstellungsraum der Akademie der bildenden Künste Wien, auf der Website der Akademie soll es aber mittels Videobotschaften Einblicke in die Gruppenpräsentation geben. Die Ausstellungsrundgänge am 27. März werden stattfinden, allerdings mit maximal 50 Teilnehmern.

Mit einem lauten "Wir spielen!" meldet sich hingegen das Wiener Schubert Theater zu Wort: Da das Haus weniger als 100 Personen fasst, "werden alle Veranstaltungen wie geplant durchgeführt". Am Mittwoch und Donnerstag stehen beispielsweise die letzten Vorstellungen von "Der Krieg mit den Molchen" an. "Klein, aber fein" lautet auch das selbstausgegebene Motto des Marionettentheaters Schloss Schönbrunn, dessen Saal ebenfalls weniger als 100 Menschen fasst, weshalb die nächsten Vorstellungen wie geplant stattfinden sollen.

Hamburg: Blunt-Konzert vor leerem Publikum im Livestream

Auch in Deutschland, wo etwa in den Kulturmetropolen Berlin und München ähnlich drastische Maßnahmen wie in Österreich getroffen wurden (in Berlin gilt allerdings eine Grenze von 1.000 Personen), sind die Auswirkungen dramatisch und die Versuche, ein gewisses Kulturangebot dennoch aufrecht zu erhalten, mannigfaltig: Die Elbphilharmonie in Hamburg will ein Konzert von James Blunt am Mittwochabend im leeren Haus frei im Internet streamen, die Berliner Staatsoper Unter den Linden plant ähnliches für eine "Carmen" am Donnerstag und für die Premiere der Mozart-Oper "Idomeneo" am 22. März. Im Theater an der Wien soll die "Fidelio"Inszenierung von Christoph Waltz, deren für Montag (16.3.) geplante Premiere abgesagt wurde, wie geplant im Fernsehen ausgestrahlt werden (20. März, live-zeitversetzt um 21.20 Uhr auf ORF 2).

Krisengipfel gefordert

Immer lauter werden die Stimmen, die angesichts der zu erwartenden dramatischen wirtschaftlichen Auswirkungen der Maßnahmen auf Kulturschaffende und Kulturinstitutionen Ausgleichszahlungen der öffentlichen Hand fordern. 

Die IG Autorinnen Autoren hat sich mit einem "dringenden Hilferuf an die Regierung" gewandt. Die vielen Absagen aufgrund des Coronavirus würden für Kunst- und Kulturschaffende eine "Einkommenskatastrophe" bedeuten, heißt es in einer Aussendung.

Die in den kommenden Wochen nicht stattfindenden Veranstaltungen bedeuten etwa für Autoren "erhebliche Einnahmenverluste", wie Gerhard Ruiss von den IG Autorinnen Autoren schreibt. "Wir steuern auch auf eine Existenzkrise bei den Literaturveranstaltern zu." Wie es in den nächsten Monaten weitergehe, sei aktuell nicht absehbar. "Wir gehen aber davon aus, dass es nicht möglich sein wird, größere Veranstaltungen im ersten Halbjahr dieses Jahres durchzuführen." Ruiss forderte die sofortige Einberufung "eines Krisengipfels mit Repräsentant/inn/en aus allen Bereichen der Kunst und Kultur" sowie die Einrichtung von Soforthilfefonds.

Auch die Verbände der Film-, Musik- und Buchwirtschaft in der Wirtschaftskammer richten einen dringenden Appell an die Politik. "Es braucht dringend einen Katastrophenfonds und Rettungsschirm für die Kultur im Allgemeinen und die besonders betroffene Musik-, Film- und Kinobranche im Besonderen", heißt es in einem offenen Brief.

Man gehe davon aus, "dass die bisher für den Tourismusbereich vereinbarten staatlichen Hilfestellungen schnell auch auf unsere schwer betroffene Branche ausgedehnt bzw. adaptiert werden."

SPÖ und Gewerkschaften nehmen Ball auf

Ins selbe Horn stößt SPÖ-Kultursprecher Thomas Drozda. Auch er fordert einen raschen Krisengipfel mit den Vertretern der Künstler und den Sozialpartnern. Er fordert im nächste Woche anstehenden Budget einen substanziellen Beitrag als "Rettungsschirm" für die Arbeitnehmer, Selbstständigen und Kleinunternehmen.

"In diesem Zusammenhang sollten auch die Steuerbehörden und die Sozialversicherungen Richtlinien ausarbeiten für einen kulanten Umgang mit Betroffenen, etwa durch die Stundung von Sozialversicherungs-Abgaben." Weiters sollten "Lücken" im Epidemiegesetz geschlossen werden: Derzeit seien im Fall von Betriebsstätten-Schließungen bei Auftreten bestimmter Erkrankungen Entschädigungen für den Verdienstentgang vorsehen, nicht aber für die Absage von Veranstaltungen.

Die Gewerkschaft younion fordert ebenfalls Hilfen vor allem für atypisch Beschäftige und Freischaffende, die plötzlich ohne jegliches Einkommen dastünden. Gerade der Kunst- und Kulturbereich könne nicht mit anderen Branchen verglichen werden. Vorstellungen, die jetzt nicht stattfinden, könnten nach der Krise nicht dazwischen eingeschoben werden. "Weg ist weg. Keine Vorstellung, keine Gage", so ÖGB-Bundessekretär Thomas Dürrer.

Grüne für schnelle Hilfe und Alternativen

Die Kultursprecherin der Grünen, Eva Blimlinger, will sich für schnell wirksame Maßnahmen einsetzen. Sie stehe im laufenden Kontakt mit den Verantwortlichen, denn "die Lebensrealität der meisten in der Kunst und Kultur Tätigen erlaubt es nicht, womöglich viele Wochen ohne Einnahmen durchzustehen, hier müssen wir schnell handeln". Konkrete Maßnahmen sprach sie nicht an.

An die "Medienanstalten" des Landes richtete Blimlinger via Twitter einen Appell, Kulturveranstaltungen zu streamen oder anderweitig verfügbar zu machen, "und alles JETZT".

Die Kulturnation Österreich ohne Kultur? Undenkbar.

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