Vorahnung
Die viel gehypten KI-Tools sind noch vergleichsweise rudimentär, sie machen absurde Fehler und halluzinieren Fakten. Aber sie lassen für die Kulturbranche potenziell Verheerendes ahnen.
Dass nämlich der Computer demnächst „Tatort“-Drehbücher schreiben kann, die von den jetzigen „Tatort“-Drehbüchern nicht zu unterscheiden sein werden.
Dass Schauspieler und Synchronsprecher um ihre Jobs fürchten müssen, wenn die KI Stimmen täuschend echt nachmacht. Dass böswillige Akteure die Algorithmen etwa von Spotify mit KI-erzeugter Musik vollkleistern – und so Einnahmen abzweigen, die den menschlichen Künstlern dann fehlen.
Dass auch Übersetzer um Aufträge umfallen werden, weil bei vielen nicht ganz so hochwertigen Büchern eine maschinelle Übersetzung wohl „gut genug“ sein wird.
Dass also die KI für viele Künstler und Kulturschaffende eine direkte Konkurrenz wird, anstatt jene Jobs zu erledigen, dank der sich die Kulturschaffenden für Kreatives freispielen können.
Das ist doch überraschend rasch gekommen – und sorgt in der Branche für einige Aufruhr. So war schon der Hollywoodstreik im Vorjahr dezidiert gegen die KI-Konkurrenz gerichtet: Die Schauspieler verlangten (und bekamen) Sicherheiten, dass die Verwendung von KI in Hollywood streng reglementiert werden soll. Auch die europäischen Verwertungsgesellschaften fordern Geld und Rechtssicherheit – etwa, dass Autoren dafür bezahlt werden, wenn Künstliche Intelligenzen mit ihren Texten gefüttert werden.
Und sie verlangen Transparenz von Spotify darüber, wie der Musikstreamingdienst seine Gelder ausschüttet – und wie viel davon an KI-generierten Content geht.
Lokales Problem
Normalerweise sieht man sich derartige Entwicklungen in Österreich zuerst mal erste Reihe fußfrei von der Ferne an: Bevor technologische Entwicklungen den Weg in die Alpenrepublik finden, geht viel Wasser die Donau runter.
Aber nicht hier: Der Synchronmarkt oder auch die ohnehin schon schwierige Lage von Musikern abseits der großen Stars sind hierzulande für das finanzielle Fortkommen wichtige Bereiche, die rasch und direkt in den KI-Strudel zu geraten drohen. Dementsprechend begann die Branche, die jüngere technologische Entwicklungen – Streaming! – nur mit der Kneifzange angegriffen hatte, vergleichsweise rasch, sich Gedanken zum Thema zu machen. Es ist, wie es bei diesen Gelderoberungsfeldzügen des Silicon Valley eigentlich immer war: Natürlich können Kulturschaffende auch in einem KI-Umfeld leben. Aber es drohen weitere finanzielle Standbeine unter Druck zu geraten. Dafür ist etwa in der Musikbranche, die schon durch den Kollaps des Tonträgerverkaufs unter Druck geraten war, immer weniger Spielraum.
Und nun? Es stellen sich Fragen auf verschiedenen Ebenen. Eher defensiv-banale wie die nach dem rechtlichen Schutz und der Vergütung, wenn die KI mit künstlerischem Schaffen gefüttert wird, oder die nach der Regulierung der KI. Aber auch durchaus grundlegende: Was heißt eigentlich noch „Autor“ und „Werk“, wenn eine KI ein Buch schreibt, fragt der Kulturwissenschaftler Wolfgang Ullrich als Eröffnungsredner des Forum Kultur zur Künstlichen Intelligenz.
Und was bedeutet es, könnte man nachschießen, für das Selbstbild des Menschen, wenn sogar seine kreativen Leistungen überzeugend vom KI-Algorithmus simuliert werden können?
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