Nicht okay, Computer! Wie ChatGPT und Co die Jobs der Kreativen bedrohen

Nicht okay, Computer! Wie ChatGPT und Co die Jobs der Kreativen bedrohen
Künstliche Intelligenzen können, so heißt es, die Kreativität des Menschen nicht ersetzen. Warum aber sind ausgerechnet die Kreativen so alarmiert?

Es ist leicht und billig, gegenüber dem digitalen Fortschritt hämisch zu werden: Hypes kommen – und gehen noch schneller. Wo bitte bleibt mein selbstfahrendes Auto? Diesmal aber könnte es anders sein. Dank ChatGPT (siehe Erklärung unten) und all den anderen Tools rund um künstliche Intelligenzen ist eine Tür aufgegangen, durch die erstmals breite Teile der Bevölkerung in eine bisher nur theoretische Zukunft schauen können. Hinter dieser Tür ist noch Baustelle, die Tools machen groteske Fehler, es ist viel Hype und Unschärfe im Spiel.

Diese Tür aber wird nicht mehr zugehen. Wer nicht jetzt über eine KI-geprägte Zukunft nachzudenken beginnt, schaut nicht genau genug hin. Und die Kreativen sind besonders betroffen.

Die westliche Welt und China wetteifern hier im Großen um eine Technologie, die wohl die Geschichte verändern wird. Nein, nicht ChatGPT. Aber dessen technologisches Ururenkerl vielleicht schon. Im Wettrennen um die Vorherrschaft bei KI geht es um wirtschaftliche Vormacht und Forschung und Kriegsgerät. Für uns andere geht es um Persönlicheres. Um den eigenen Job, den eine KI bald vielleicht besser kann, um das, was vom Menschen bleibt, wenn der Computer intelligent wird.

Die Nische

Rasch ist hier vom Kreativen die Rede: Das kann der Computer nicht, heißt es, das wird eine Nische für den Menschen bleiben. Dem widerspricht diametral, dass gerade die Kreativen von den KI-Aussichten alarmiert sind. Und zwar wegen der Konkurrenz, die selbst die Anfänger-Tools, die derzeit öffentlich sind, für sie bedeuten.

So schlug etwa der US-Verband der Copywriters Alarm. Das sind jene Autoren, die Gebrauchstexte für Marketing, für Anleitungen oder Gebrauchsanweisungen schreiben. Das alles kann ChatGPT auch schon.

Und damit schneidet die Software in ein wackeliges Finanzierungsmodell hinein, an dessen anderem Ende oft Literatur steht: Denn viele dieser Texter finanzieren sich ihr Leben durch textliche Auftragsarbeiten – und können es sich so leisten, sich den Rest der Zeit dem kreativen Schreiben zu widmen. Das heißt: In der Literatur ist die KI noch überhaupt keine Konkurrenz. Für manchen Literaten aber schon.

Die Ergebnisse sind gut genug

Ebenso im grafischen Bereich: Der (falsche) Papst im Hipstermantel, der jüngst durch die sozialen Medien geisterte, war das Produkt eines jener KI-Tools, die sich dem Grafischen widmen. Im Prinzip ist leicht zu erkennen (ein bisschen Nachdenken hilft), dass das ein künstliches KI-Bild ist. Der Punkt aber ist, dass das Bild schon jetzt gut genug ist, um große Teile der Bevölkerung zu täuschen.

In einiger Zeit wird es – so steht zu erwarten – für den normalen Menschen ununterscheidbar sein, ob ein Bild, ein Video, ein Zeitungsartikel, eine Gebrauchsanleitung fürs Handy von einem Menschen oder einer Maschine erstellt wurde. Insbesondere deswegen, weil das, was die KI kann, zwar nicht perfekt, aber gut genug ist für die Ansprüche, die Nicht-Profis – also die normalen Menschen – an diese Produkte haben.

Es wird schwieriger werden zu argumentieren, warum man die teurere menschengemachte Arbeit erstehen soll, wenn die Ki etwas Ähnliches, Gleichförmiges, Verwechselbares gratis erstellt.

Nicht alles, das glänzt, ist kreativ

Noch einen weiteren Punkt macht das Nachdenken über das Verhältnis von KI und Kreativität klar: Auch in vielen kreativen Bereichen werden große Bereiche mit Handwerk gefüllt, für die Könnerschaft, aber keine Kreativität an sich nötig ist. Die Orchestrierung einer neuen Komposition, die Füllerszenen im neuen „Tatort“, der Text zum nächsten Schlagerlied – es lohnt sich kurz innezuhalten und sich bewusst zu machen, in welchem Ausmaß die Erstellung all dessen wirklich kreativ ist.

Und wie schwer es im Gegenzug ist, mit wirklicher Kreativität Geld zu verdienen. Das schafft schon jetzt nur ein Bruchteil in der Kreativbranche. Ein Geschäftsmodell für alle kann das realistischer Weise nicht sein.

Neue Kakofonie

Zugleich können auch viel, viel mehr Menschen in diesem Bereich tätig werden. Schon jetzt reicht eine textliche Anregung – „zeichne einen Mann, im Schatten, mit Anzug, Bart, Pfeife“ –, dass KIs dementsprechende Bilder erstellen. In Reichweite sind Videos, ganze Filme – und das kann dann im Prinzip jeder, auch ohne jegliches grafisches Talent. In dieser Kakofonie der Inhalte wird es Kreativität schwerer, nicht leichter haben als heute.

An dem Punkt, dass sich die Kreativen vor der KI verstecken müssen, sind wir noch nicht angelangt. Natürlich haben wir zum Test ChatGPT beauftragt, diesen Text zu schreiben. Seine Version (siehe unten) war schlecht, schlimmer: Sie war langweilig. Das – langweilig zu sein – ist in der aufmerksamkeitssüchtigen Kreativbranche ein Todesurteil. Und mag für manchen Kreativen jetzt noch beruhigend sein. Es wird wohl nicht so bleiben.

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