Ist es Kunstkritik - oder die übliche Online-Gewitterwolke, die permanent über den Köpfen der britischen Royals hängt und sich in schöner Regelmäßigkeit entlädt? Dass das Porträt von König Charles III, das am vergangenen Dienstag im Buckingham-Palast enthüllt wurde, einige Reaktionen auslösen würde, war wohl zu erwarten. Dass der Künstler Jonathan Yeo sich dazu entschlossen hatte, den Monarchen nicht nur in einer roten Uniform darzustellen, sondern sein Konterfei gleich aus einer Masse roter Farbe auftauchen zu lassen, befeuerte aber brutale Assoziationen - zu Blut, Feuer oder beidem zugleich. "Das Porträt gibt dem Begriff 'Bloody Hell' neue Bedeutung", resümierte das Online-Kunstmagazin Hyperallergic, auf X waren einige Referenzen zu Teufelsdarstellungen zu sehen.
Einige sahen im Rot einen unglücklichen Verweis auf das blutige Erbe des britischen Kolonialismus, einige Memes assoziierten die Farbgebung mit Rhabarberkuchen und lobten den Umstand, dass Tomatensuppen-Attacken, wie sie Aktivisten auf mehrere Kunstwerke verübt hatten, dem Porträt zumindest nicht anzusehen wären.
Doch es war bei weitem nicht nur Häme, die dem Porträt entgegenschlug. So lobte der Kunsthistoriker Bendor Grosvenor den Umstand, dass Charles sein Porträt in Anwesenheit des Künstlers selbst enthüllt und diesem damit eine Plattform gegeben hatte, was eine Premiere für einen britischen Monarchen gewesen sei. Charles war dem Künstler Yeo, der auch bereits ein Porträt der "Queen Consort" Camilla angefertigt habe, laut BBC insgesamt vier Mal für je eine Stunde Modell gesessen - das erste Mal im Jahr 2021, als er noch "Prince of Wales" gewesen war.
Symbolik des Schmetterlings
Neben der Uniform der "Welsh Guards", denen der Prinz of Wales seit 1975 in der Funktion eines "Regimental Coloniel" vorsteht, fällt im Porträt vor allem ein Schmetterling auf, der auf der Schulter des Monarchen landet. Laut Yeo geht dieser auf einen Vorschlag Charles' zurück und symbolisiert Erneuerung, aber auch die Anliegen des Monarchen in Sachen Umweltschutz.
Tatsächlich ist das Tier - ein Monarchfalter - ein Hinweis darauf, dass Umweltanliegen hat in der royalen Familie Tradition haben: Charles' Vater, Prinz Philip, war ab 1961 der erste Präsident des "World Wildlife Fund" im Vereinigten Königreich. 1988 besuchte er in Mexiko ein Reservat, das dem damals bedrohten Schmetterling als Biotop diente. Darauf verwies Queen Elizabeth II, als sie 2021 eine Rede zur Klimakonferenz COP26 hielt: Sie trug damals eine Brosche in Form eines Monarchfalters, die sie 1947 als Hochzeitsgeschenk erhalten hatte.
Auch die rote Farbe in Herrscherdarstellungen ist kein kunsthistorisches Novum: So lässt sich im Wiener KHM das Porträt von Erzherzog Albrecht VII besuchen, das der Maler Jacob Jordaens um 1620 nach einer Vorlage von Peter Paul Rubens malte.
Bleibt die Frage: Ist das Porträt gute Kunst? Der US-Kritiker Jerry Saltz, Träger des Pulitzerpreises und eine große Präsenz auf Twitter/X, ließ in einem Posting kein gutes Haar an dem Werk: "Es ist ein falsch-romantischer, monochomatischer Sch***, weil es nur den Inhalt kennt", so Saltz (freie Übersetzung, Anm.): Jenseits der Darstellung sah der Kritiker also keine künstlerische Qualität, die sich in der Art der Malerei oder dem Umgang mit dem Bild als solchem äußern würde. "Wenn es einem gefällt, ist das natürlich auch okay", so Saltz. "Aber ist eine vernachlässigbare Illustration eines Gemäldes".
Die Royals haben immer wieder Künstler beauftragt - oder auch inspiriert. So entstand das Porträt, das der berühmte Maler Lucian Freud 2001 von Queen Elizabeth II. anfertigte, auf Wunsch des Künstlers, der darum bat, die Monarchin malen zu dürfen. Bei seiner Enthüllung wurde es ebenfalls sehr kontrovers diskutiert. Auch Fotografen fertigten immer wieder aufwändige Bildnisse der Royals an - eine Auswahl davon wurde nun, kurz nach der Enthüllung des Charles-Porträts, in der Galerie des Buckingham Palastes eröffnet.
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