Kommentar: Das Netz ist kaputt – und jetzt?

Kommentar: Das Netz ist  kaputt – und jetzt?
Die Onlinewelt muss repariert werden, nicht nur beim Urheberrecht – aber wie? Darüber wird höchst ideologisch gestritten.

Es klingt wahnsinnig, wahnsinnig fad, sagt aber viel über die Onlinewelt aus, in der wir leben – und darüber, dass diese kaputt ist: Die Reform des Urheberrechts muss eine weitere Debattenrunde im EU-Parlament drehen, bevor die Verhandlungen mit dem Rat aufgenommen werden.

Dieses Recht bestimmt, wie streng die Urheber von Werken – Musik, Film, Fernsehen, Medien – und ihre Einnahmen geschützt werden. Die alten Regelungen wurden durch das Web in den vergangenen zwei Jahrzehnten radikal ausgehebelt.

Musik und Filme waren die ersten Produkte, die so gut wie nicht mehr direkt zu verkaufen waren: Zuerst wegen der Gratisverbreitung, zuletzt wegen des Aufkommens von Plattformen wie YouTube und Facebook.

Künstler und Medienschaffende brauchen inzwischen diese großen Plattformen, um ans Publikum zu kommen. Denn diese abgeschlossenen Aufmerksamkeitsbiotope von Google (u.a. , aber auch das Handy-Betriebssystem Android) und Facebook (mit Instagram und dem Messenger) sind für das breite Publikum gleichbedeutend mit „dem Internet“. Und diese sahnen dann die Werbegelder ab, während die Urheber Centbruchteile verdienen. Diese Monopole, die sich auf Vertriebskanäle, aber auch unermessliche Datenbestände erstrecken, sind so fundamental geworden, dass der Economist zuletzt in einem ausführlichen Report dafür die Lanze brach, „das Internet zu reparieren“.

Kommentar: Das Netz ist  kaputt – und jetzt?

Front gegen Reform

Doch daran scheitert nicht nur das EU-Parlament (eine Urheberrechtsreform wäre ein Teil einer derartigen Reparatur). Warum, lässt sich nur geschichtlich erklären. Die Diskussion wird hier bestimmt von Dogmen aus der Frühzeit des World Wide Web. Damals versprach man sich alles mögliche vom Internet und seinen Diensten: Bürgerjournalismus, Demokratie, die Stärkung unterdrückter Meinungen oder auch freierer Medien. All das richtete sich gegen „die da oben“, man glaubte, die Mittel für eine bessere Zukunft in der Hand zu haben.

Der Staat und etablierte Player wie heimische Medienverlage werden deshalb immer noch reflexartig auf Distanz zum Web gehalten – obwohl beide im Vergleich zu Google oder Facebook ironischerweise vielen Faktoren nach kleine Player sind. Und der staatliche Umgang mit Daten viel mehr Regelungen unterliegt als der von Google.

Vor allem: Es ist nichts von den frühen Versprechen eingetreten: Die Möglichkeiten zu all dem Positiven gibt es zwar, herausgekommen ist aber ein Netz, das von wenigen Playern beherrscht wird und der Demokratie eher schadet als nützt. Die Gesellschaft hat sich an den sozialen Medien wundgerieben, im giftigen Gemisch zwischen „Fake News“-Vorwürfen, Politik-Missbrauch der Online-Kanäle, Meinungszuspitzung und Entsolidarisierung ist es schwierig auszumachen, wo das Netz politisch gerade besonders hilfreich ist. Dass sich die Machtverhältnisse im Netz radikal geändert haben, Zensur- und Überwachungstätigkeiten vom Silicon Valley nicht verhindert, sondern vollzogen werden, dass die freie Presse unter Druck ist und in der Kultur nur die kleinsten gemeinsamen Nenner belohnt werden – das wird großzügig übersehen. Und Künstler und Medien, die für ihre Arbeit Geld von den Gewinnern dieser Monopolisierung fordern, werden daher von den Verfechtern dieser alten Dogmen immer noch als Internetfeinde dargestellt. Unter anderem auch deshalb, weil die Branchen viel zu lange ahnungslos von den technischen und gesellschaftlichen Hintergründen waren.

Reformstau

Mit diesem Argument werden Reformen abgeblockt – auch das neue Urheberrecht sei schlecht, man brauche eine bessere Reform, bevor man etwas beschließe, heißt es. Künstler und Medien hoffen nun auf die weitere Diskussion im EU-Parlament im Herbst – und können sicher sein: Auch diese wird vergiftet sein.

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