Der Solist Nemanja Radulović überzeugte vor allem durch Spielfreude. Er kommunizierte intensiv mit dem Orchester, wobei nicht immer ganz klar hervorging, ob er dabei nicht auch auf ein paar Show-Effekte aus war. Aber das ist in Ordnung, denn es diente am Ende der Musik. Mehr Ausdruck, weniger Zurückhaltung wäre dennoch kein Nachteil gewesen. Bei der ausgiebigen Zugabe, Improvisation über zwei Capricen von Nicolò Paganini, war er dann ganz in seinem Element. Denn Radulović tritt offensichtlich gern als „Teufelsgeiger“ auf, wofür er ausführlich bejubelt wurde. Bei Dmitri Schostakowitschs „Achter“ in c-Moll war schon Werk bedingt Schluss mit jeglicher Juxerei und Tollerei. So beklemmend wie in der präzisen Lesart von Andrey Boreyko, der seit fünf Spielzeiten die Warschauer Philharmoniker leitet, ist diese gigantische Symphonie nicht oft zu hören. Dieser Dirigent machte mit wenigen klaren Gesten deutlich, worum es geht. Um des Leid eines geknechteten Volkes, um Krieg, Zerstörung und ein kleines Quantum Trost. Martialische Marschrhythmen, die Klangbalance akkurat austariert und Solisten, die Erstklassiges leisteten wie die exzellent intonierende Solo-Flöte, der die Blechbläser um nichts nachstanden. Famos das Solo-Cello. Die vor Kurzem hinzugekommene Konzertmeisterin bestach mit klaren Strichen. Ovationen.
KURIER-Wertung: 3 1/2 Sterne
Oscar Jockel - Ein junger Dirigent, der am Pult der Wiener Symphoniker aufhorchen lässt
Die Dirigentin Joanna Mallwitz musste aus gesundheitlichen Gründen ihre Konzerte in Wien kurzfristig absagen. Auch die Fernseh-Übertragung vom Finalsatz der „Neunten“ heute aus dem Konzerthaus ist davon betroffen. Die übernimmt der designierte Chefdirigent Petr Popelka. Auch für die beiden Termine des Eröffnungskonzerts des Festivals „Courage“ im Wiener Musikverein wurde erstklassiger Ersatz gefunden. Oscar Jockel ist sein Name, derzeit Dirigierassistent von Kirill Petrenko bei den Berliner Philharmonikern und Komponist.
Der 28-jährige gebürtige Regensburger ist zudem Stipendiat der Karajan-Akademie und wurde 2023 mit dem Herbert-von-Karajan-Preis der Salzburger Osterfestspiele ausgezeichnet. Mallwitz’s Programm übernahm er unverändert und wie. Schon bei Beethovens „Leonoren“-Ouvertüre Nr. 3 ließ er mit seinen akkurat gesetzten Akzenten aufhorchen, baute Spannung auf und brachte die Musik zum Schweben. Famos geriet die Koordination mit den Bläsern von außen. Die Wiener Symphoniker folgten ihm höchst konzentriert. Dann Beethovens fünftes Klavierkonzert in Es-Dur. Der Solist Francesco Piemontesi harmonierte mit seinen Kristall-klaren Anschlägen mit dem Orchester, spielte seine Kadenzen mit Bedacht und trumpfte erst bei seinen ausgedehnten Zugaben auf. Die Qualitäten dieses Dirigenten waren bei Paul Hindemiths Symphonie „Mathis der Maler“, die der Komponist aus seiner gleichnamigen Oper generierte, zu hören. Da war klar, weshalb Orchester die Sächsische Staatskapelle Dresden Jockel ans Pult holen. Er kostete die feinsten Nuancen von Hindemiths Klangmalereien aus, achtete stets auf Transparenz, Präzision und wurde zurecht bejubelt.
KURIER-Wertung: 4 Sterne
So feinsinnig kann Brahms klingen
Igor Levit, Renaud Capuçon und Julia Hagen im Wiener Musikverein
Kammermusik im großen Goldenen Saal? Warum nicht, wenn drei Musikerpersönlichkeiten zueinander finden, die sich bestens miteinander verstehen wie der Pianist Igor Levit, die Cellistin Julia Hagen und Geiger Renaud Capuçon. Die drei Virtuosen nahmen sich die Klaviertrios von Johannes Brahms vor. Gäbe es in der Musik so etwas wie Basis-Demokratie, hier war sie zu erleben. Alle profitierten hier voneinander. Levit, bildete eine Art Kraftzentrum, ließ aber der Geige und dem Cello genügend Raum zur Entfaltung.
Brillant seine Piano-Kultur. Seine weichen, samtigen, immer wieder sublim perlenden Anschläge schmiegten sich an den Klang der Saiteninstrumente. Das war Musizieren in vollkommener Harmonie. Betörend brachten Hagen und Capuçon ihre Instrumente mit exquisiter Kantabilität zum Singen und gaben sich innig ihren Duetten hin. Ein Konzert als feinsinnige Hommage an den Komponisten. Ausgiebiger Jubel!
KURIER-Wertung: 4 Sterne
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