KURIER: Sie sind seit über 40 Jahren Schauspieler. Gibt es noch etwas, was Sie lernen in diesem Job?
Kiefer Sutherland: Absolut. Als ich Anfang 20 war, waren Leute wie Gene Hackman, Robert Duvall und Robert DeNiro unsere Vorbilder. Diese Art von Karriere strebten wir an. DeNiro drehte alle zwei, drei Jahre einen Film. Wir Jungschauspieler dachten, dass das die Norm ist, aber natürlich konnten wir uns das nicht leisten, denn wir waren jung und dumm und hatten einen destruktiven Lifestyle, der uns zum Arbeiten zwang, und zu Filmen, die wir vielleicht besser nicht gemacht hätten. Und dann machte ich „24“, was in Wirklichkeit dasselbe war wie zwölf Filme pro Jahr. Aber das war ein Quantensprung für mich als Schauspieler. Ich drehte jeden Tag und wurde immer besser. Es war wie olympisches Training. Und mir wurde klar, wie blöd diese Idee ist, immer nur auf das perfekte Projekt zu warten und dazwischen Daumen zu drehen. Wenn du der schnellste Läufer sein willst, dann läufst du jeden Tag. Und wenn du dann das Glück hast, mit großartigen Regisseuren zu arbeiten, hast du den Jackpot. Mr. Friedkin war so einer.
Sie spielen die Rolle von Humphrey Bogart im Originalfilm. Hatten Sie einen Moment der Unsicherheit, mit ihm verglichen zu werden?
Und wie! Bogart ist vielleicht bekannter für „Casablanca“ oder „African Queen“, aber diese Rolle war eine der wichtigsten in seiner Karriere als Charakterdarsteller. Und das Publikum, das unser Remake sieht, kann sich sehr wohl an das Original erinnern. Aber ich wollte unbedingt mit William Friedkin arbeiten, hätte sein Angebot nie ablehnen können.
Der gesamte Film wurde in einer Location gedreht, im Gerichtssaal. Wie wirkt sich das auf Ihr Schauspiel aus?
Sean Penn hat es einmal richtig gesagt. Ich war 17 und hatte zu dem Zeitpunkt schon sehr viel Theater gespielt, und er auch. Wir haben über den Unterschied zwischen Bühne und Film gesprochen. Und Penn verglich das Spielen mit Malen. Er meinte, wenn du auf einer riesengroßen Leinwand malst, dann machst du große, gewaltige Pinselstriche. Wenn die Leinwand viel kleiner ist, dann sind die Pinselstriche subtil und detailliert. Es reicht, die Idee hinter dem Bild anzudeuten. Das ist bei mir sehr stark angekommen. Besonders auch, weil ich in diesem Film nicht einmal den Raum ausnützen kann, ich sitze die ganze Zeit auf einem Stuhl, ich habe einen Bewegungsradius von 15 cm. Das heißt, der subtile Pinselstrich ist eine gute Metapher. Je kleiner deine Gesten werden, desto mehr Kraft haben sie. Hier konnte ich wieder einmal mein Können testen. Das war unglaublich spannend. Den gesamten zweiten Akt haben wir in nur zwei Takes gefilmt, und der zweite Take nur, weil ich ihn darum gebeten habe. Ich habe das so lange vorbereitet, ich wollte eine zweite Chance haben.
Erinnert Sie das nicht an einen anderen Film, den Sie als sehr junger Schauspieler gemacht haben?
Ich weiß genau, worauf Sie anspielen! Ja, „Eine Frage der Ehre“. Jack Nicholsons Monolog „Sie können die Wahrheit nicht vertragen“. Viele Schauspieler hatten an dem Tag frei, aber wir kamen alle zum Set, saßen auf der Galerie und schauten ihm zu. Das war wie Schauspielunterricht. Nicholson hielt die gesamte Rede in einem Take, und niemand sagte etwas. Man hätte eine Nadel fallen hören. Rob Reiner, der Regisseur, war komplett still. Und sagte dann nur: „Das ist es. Wir brauchen keinen zweiten Take.“ Und wir brachen alle in Applaus aus für Jack.
Friedkin ist nicht der einzige Regisseur, dessen letzten Film Sie gemacht haben. Sie haben gerade die Dreharbeiten für „Juror #2“ (Geschworener Nummer 2) beendet …
Ja. Clint Eastwood hatte gesagt, dass das sein letzter Film wird. Als ich das hörte, schrieb ich ihm einen Brief, in dem ich meinte, ich würde den Hausmeister spielen, der nur eine Szene hat. Er gab mir eine kleine Rolle – und ich bekam die Chance, mit einem meiner Lieblingsregisseure zu arbeiten. Ich bin ein Fan von ihm, seit ich ein Kind war, seit seinen Western. Der Regieassistent gab mir Anweisungen für eine meiner Szenen und Mr. Eastwood sagte zu ihm: „Stopp! Er weiß, was er tut.“ Das war eines der großen Highlights meiner Karriere. Das – und mit Mr. Friedkin zu filmen.
Sie sagen immer noch „Mr. Friedkin“. Wollte er nicht, dass Sie ihn Billy nennen?
Ja, aber ich konnte und kann nicht. Als Filmliebhaber und als Schauspieler werde ich immer viel zu viel Respekt vor ihm haben. Er ist Mr. Friedkin. Er hat einige der besten Filme aller Zeiten gemacht, „French Connection“, „Der Exorzist“ und „Leben und Sterben in L.A.“.
„The Caine Mutiny Court Martial“ war sein letzter Film. Er starb vor der Weltpremiere …
Das hat mir das Herz gebrochen. Ich wusste, wie stolz er war auf den Film. Zumindest konnte er ihn fertigstellen. Er hat dreieinhalb Jahre daran gearbeitet. Er hätte den Applaus verdient. Mit ihm zu arbeiten war außergewöhnlich und wunderbar. Ein Geschenk und ein Privileg.
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