Kendrick Lamar: Musik als Hoffnung

Kendrick Lamar veröffentlicht mit "To Pimp A Butterfly" ein Meisterwerk voller Soul, Funk und politischen Botschaften.
Der US-amerikanische Hoffnungsträger in Sachen Hip-Hop veröffentlichte über Nacht sein neues Album "To Pimp A Butterfly".

Veröffentlichungstermine von Alben sind heutzutage ja nur mehr Richtwerte. Erst kürzlich musste Björk ihr neues, für März angekündigtes Album völlig überraschend bereits im Jänner digital auf den Markt bringen, da es geleakt wurde - also gratis im Internet verfügbar war. Nun musste auch der US-amerikanische Hip-Hop-Hoffnungsträger Kendrick Lamar über Nacht reagieren und seine für 23. März angekündigte Platte vorziehen. "Keep calm. All is well" ("Bleibt ruhig, alles ist gut"), twitterte Kendrick Lamar um sechs Uhr morgens, als sich im Internet ein Sturm der Aufregung entfachen wollte: Seit ein paar Stunden war Lamars drittes, mit wachsender Spannung erwartetes Album über iTunes und Spotify veröffentlicht worden, eine Woche früher als annonciert. Offenbar reagierte Lamars Label Top Dawg damit auf ein drohendes Leck beim Vertriebspartner Universal, worüber sich Labelboss Anthony Tiffith wiederum via Twitter heftig echauffiert hatte: "Irgendjemand wird dafür bezahlen müssen!"

Kendrick Lamar: Musik als Hoffnung

Der im berüchtigten Problemviertel Compton bei Los Angeles aufgewachsene 27-Jährige wurde mit West-Coast-Ganster-Rap und auf der Straße sozialisiert. Von Drogen, Waffen und Bling-Bling wollte er bereits auf seinen ersten beiden Alben nichts wissen. Vor allem sein im Jahr 2012 veröffentlichtes Meisterwerk "Good Kid, M.A.A.D City" wurde international als eines der besten Hip-Hop-Alben des Jahres gefeiert. Die Platte war auch ein Varoufakisfinger, also Stinkefinger in Richtung inhaltslosem Gangster-Rap der Kollegenschaft, die Gewalt mit Gewalt, Probleme mit Drogen und soziale Missstände mit Hass und Segregation zu lösen versuchen.

Mit "To Pimp A Butterfly" versucht der Grammy-Gewinner erneut einen heilenden Balsam auf die offenen Wunden zu legen. Zu Beginn hört man "Every Nigger Is A Star", ein Sample aus dem gleichnamigen Song des jamaikanischen Sängers Boris Gardiner. Cut. Danach rappt Kendrick Lamar mit Funk-Legende George Clinton in "Wesley's Theory" über einen von Flying Lotus stammenden Beat.

Liebe und neue Maßstäbe

In den 16 neuen Songs setzt der Rap-Poet keine Minute auf konservative Beats. Dafür reiht er Sample an Sample und kreiert so Rhythmen, die mutig wie eklektizistisch ausfallen. Immer wieder tauchen Soul-, Jazz-, Funk-Melodien und -Rhythmen aus vergangenen Tagen auf, werden Spuren zu Helden wie Gil Scott-Heron gelegt. Das klingt frisch, elektrisierend und setzt neue Maßstäbe im Hip-Hop-Genre.

Inhaltlich geht es ihm und den aktuell in USA wieder aufkeimenden Rassismus, die Trennung zwischen Schwarz und Weiß. Lamar empört sich über die zunehmenden und tödlichen Übergriffe der Polizei gegenüber der afroamerikanischen Bevölkerung – Stichwort Ferguson. Aber anstatt Hass und Gewalt in seinen Liedern zu predigen, setzt Lamar auf Liebe. "I love myself" heißt es im Stück "i" immer wieder. Ganz nach dem Motto: Nur wer sich selbst liebt, kann auch andere lieben.

Im 12 Minuten langen und intensiven wie berührenden Schlussstück "Mortal Man" kommentiert er ein altes Interview des 1996 ermordeten Rappers Tupac Shakur, der ein Blutbad in Sachen Gang-Krieg für unausweichlich hält. Lamar kontert: "Das ist verrückt, Mann. Die einzige Hoffnung, die wir haben, ist Musik."

KURIER-Wertung:

Kommentare