Keira Knightley auf der Suche nach Dämonen

Keira Knightley auf der Suche nach Dämonen
Sie brilliert als Hysterie-Patientin in Cronenbergs Freud-Film, in einem Interview spricht Keira Knightley über Rollenvorbereitung und delikate Sexszenen.

Sabina Spielrein? Von der hatte sie vorher noch nie gehört, sagt Keira Knightley. Von Sigmund Freud und C. G. Jung schon, eh klar, aber von Sabina Spielrein nicht.
Mittlerweile aber ist die britische Schauspielerin und Blockbuster-Piratin aus dem "Fluch der Karibik"-Franchise eine Spielrein-Spezialistin. In ihrer kongenialen Darstellung von C. G. Jungs erster Hysterie-Patientin, die er mit der psychoanalytischen Gesprächstherapie behandelte, hat Knightley bis zur Selbstentäußerung gespielt - in David Cronenbergs hervorragendem Freud-Film "Eine dunkle Begierde" (Kinostart: 11. 11.)
Spielrein hat nach ihrer Genesung Freud zu seiner Theorie des Todestriebes inspiriert und wurde als erste Frau in die "Wiener Psychoanalytische Vereinigung" aufgenommen. Sie arbeitete später als renommierte Kinderanalytikerin in der Sowjetunion und wurde 1942 von den Nazis mit ihren beiden Töchtern erschossen.
Für Keira Knightley, die Spielrein in ihrer krankhaften Phase als exaltierte Hysterikerin, Masochistin und Kurzzeitgeliebte von C. G. Jung darstellte, Faszination und große Herausforderung zugleich.

Keira Knightley auf der Suche nach Dämonen

KURIER: Frau Knightley, Sie spielen eine Hysterikerin, die unter zahlreichen Anfällen leidet. Das sieht nach schwieriger Rollenvorbereitung aus...
Keira Knightley: Normalerweise, wenn ich eine Rolle spiele, kann ich mich einfühlen und Emotionen, die ich von mir selbst kenne, verwenden. Aber hier hatte ich überhaupt keine Anhaltspunkt, keinerlei Erfahrung und überhaupt keine Idee, wie ich es angehen sollte. Ich musste wirklich bei Null beginnen. Außerdem ist es immer haarig, die "Verrückte" zu spielen, was immer das heißen mag. Denn so krank Sabina Spielrein auch war, ihr Denken folgte einer absoluten Logik - und mir war es total wichtig, diese Logik und die Beweggründe zu finden, die zu solchen Anfällen führten.

Und wie haben Sie das angestellt?
Ich habe einen Stapel Bücher gelesen - Biografien über Jung, Freud und Spielrein, Briefwechsel, Spielreins Tagebücher, ihre Dissertation... solche Sachen. Und ich habe zwei Psychoanalytiker konsultiert.

Ihre Anfälle sehen manchmal aus wie in einem Horror-Film. War das beabsichtigt?
Nein, ich hatte keinerlei Referenzen für mein Spiel. In Jungs Notizen über Spielrein steht einfach nur, dass sie hysterische Anfälle hat, ohne weitere Beschreibungen. Aber ich habe in ihren Tagebüchern gelesen, dass sie sich wie ein Dämon oder wie ein Hund fühlte. Ich fand diese Selbstcharakterisierung sehr interessant und habe mich bemüht, diese dämonische Qualität in mein Spiel einzubringen.

Als Jungs Geliebte zelebrierte Spielrein auch masochistische Praktiken. Wie sind Sie damit umgegangen?
Naja, als ich diese zwei Liebesszenen las, war ich mir nicht sicher, ob ich sie spielen wollte und konnte. Aber David Cronenberg hat mir versichert, dass es nicht darum ging, eine sexy Szene zu drehen. Er wollte, dass es klinisch aussieht und nicht voyeuristisch - und das war dann okay für mich. Da wusste ich, ich werde mit diesen Szenen nicht irgendwo im Internet landen.

Wie würden Sie denn die Arbeitsweise von David Cronenberg beschreiben?

Ich finde, er ist wie ein Zauberer - er ist ganz ruhig und hat alles unter Kontrolle. Er hätte beispielsweise den Film sehr düster gestalten können und hat sich stattdessen für diese schönen, klinischen Bilder entschieden. Er gibt auch jedem am Set das Gefühl absoluter Zuversicht. In den Händen eines anderen Regisseurs wäre ich wahrscheinlich ausgeflippt vor Panik - wir haben nicht einmal geprobt.

Es gab keine Proben?
Nein, keine Proben. Er macht auch von jeder Szene nur eine, höchstens zwei Aufnahmen. Und was er dann in der Kamera hat, das ist es. Wir waren jeden Tag früher fertig als geplant, und auch der ganze Dreh dauerte zwei Tage
kürzer als vorgesehen. Er war wirklich unglaublich. Und abends hatten wir dann genügend Zeit, um gemeinsam Fußball zu schauen und etwas zu trinken. Das war echt nett.

Eine dunkle Begierde: Im Abgrund der gesprochenen Worte

Worte fallen wie Schwerthiebe: Nach langem, innigen Briefwechsel beendet Freud seine Freundschaft mit dem Kollegen C. G. Jung. "Mit den Folgen Ihres Briefes werden Sie selber leben müssen", repliziert Jung gekränkt an seinen Mentor. Jung selbst verstrickt sich in den psychoanalytischen Gesprächen mit seiner Patientin Sabina Spielrein immer mehr in ein dichtes Netz aus Begehren und Schuld.
Jung unterhält eine Affäre mit Spielrein und versucht später, diesen unprofessionellen Übergriff vor Freud zu verheimlichen. Spielrein fühlt sich verraten und verlangt Aufklärung - und schließlich zieht sich auch Freud zurück.
In klaren, aufgeräumten Bildern und mit der Präzision eines Juweliers erzählt Meisterregisseur David Cronenberg von den Anfängen der Psychoanalyse und den Abgründen der Gesprächstherapie. Den Schweizer Analytiker C. G. Jung inszeniert Cronenberg im lichten Ambiente einer wohligen Bürgerlichkeit, vor deren abgefedertem Hintergrund sich die düsteren Szenarien psychischer Abhängigkeiten umso quälender abzeichnen. Immer wieder dringt der Horror in die sonnigen Landschaften ein und legt die Gefährlichkeiten der gesprochenen Worte frei. Schmerzlich schön.

KURIER-WERTUNG: *****
von *****

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