Kate Winslet: „Heterosexuelle Klischees in Liebesfilmen über Bord werfen“
Viele Schauspieler lagen im letzten Jahr Quarantäne-bedingt auf der sprichwörtlichen faulen Haut. Nicht so Kate Winslet. Der britische Star, 45, drehte nicht nur die lesbische Liebesgeschichte „Ammonite“ (ab Herbst in den heimischen Kinos), einen Film von Francis Lee, fertig, sondern auch die HBO-Serie „Mare of Easttown“ (hierzulande bei Sky zu sehen) und die nicht so kleine Fortsetzung von „Avatar“ unter der Regie jenes Mannes, dem sie ihren großen Durchbruch verdankt: James Cameron. Im Interview spricht sie über ihre Projekte und die Selbsterkenntnis, die das letzte Jahr mit sich brachte.
KURIER: Im Kostümdrama „Ammonite“ spielen Sie die 1799 geborene britische Fossil-Sammlerin und Paläontologin Mary Anning. Was muss man über Mary Anning wissen?
Kate Winslet: Sie war eine sehr intelligente Frau, die akzeptierte, dass die Welt, in der sie lebte, ihr keine wissenschaftliche Bedeutung zumessen würde. Trotzdem ging sie ihrer Arbeit nach. Sie blieb unverheiratet in einer Ära, in der Frauen verheiratet sein mussten, um einen gesellschaftlichen Status, ein Dach über dem Kopf und finanzielle Stabilität zu erlangen. Das bewundere ich sehr. Die Geologische Gesellschaft von London erkennt sie heute an und einer ihrer ersten Funde ist im Britischen Museum ausgestellt.
Der Fokus des Films liegt auf Marys Beziehung mit der verheirateten Charlotte Murchison, gespielt von Saoirse Ronan. Die Kommunikation zwischen den beiden Frauen ist nicht sehr verbal, aber dafür sehr sexuell. Was sagt das über die Beziehung aus?
Francis Lee, Saoirse und ich wollten, dass die physische Intimität das starke Verlangen der Frauen zeigt. Und dass wir das so darstellen, dass es dem Narrativ des Films dient. Die Kommunikation ist sehr nonverbal, was besonders die Rolle der Mary unterstreicht, weil sie ohnehin so introvertiert und scheu ist. Sie war einsam und hatte ein sehr isoliertes Leben. Das unterschied sich extrem von der patriarchalischen Gesellschaft ihrer Zeit, in der sie gezwungen war, so zu funktionieren, wie man das damals von einer Frau erwartete. Da existierte ein Level an Unterdrückung, das für die Ära systemisch war.
Die lesbische Beziehung beruht auf Spekulation. Wie haben Sie sich darauf vorbereitet?
Es war ein Privileg für mich, dass ich diesen Film machen durfte, dass ich dieses heterosexuelle Stereotyp brechen konnte. Und vergessen wir nicht, dass es die Tabus, über die wir hier reden, immer gegeben hat. Frauen-Freundschaften waren damals anders als heute. Ich habe Briefe zwischen Frauen aus dieser Zeit gelesen, die intensive, nahe Freundschaften pflegten. Es kam vor, dass eine enge Verbundenheit eine intimere Form annahm, auch wenn beide Frauen verheiratet waren. Wir wollten die tiefe Sehnsucht und die Weiblichkeit zeigen, die diese beiden Frauen hatten. Es war ein Privileg für mich, die heterosexuellen Klischees in Liebesfilmen über Bord zu werfen. Ich habe dabei wirklich viel gelernt.
Was zum Beispiel?
Ich habe erkannt, dass ich mich in früheren Filmen zum Objekt macht ließ. Es fiel mir nur damals gar nicht auf. Ich bin deswegen nicht verbittert, aber ich frage mich jetzt schon, ob ich mit all den Liebesszenen, die ich gespielt habe, so einverstanden war. Bin ich wirklich für mich eingestanden und habe die Szenen so mitchoreografiert, dass es aus der Sicht der Frau stimmte?
Sie waren 20 Jahre jung, als Sie mit James Cameron den Film drehten, der für Sie der große Durchbruch war: „Titanic“. Nun arbeiten Sie wieder mit ihm für „Avatar 2“ zusammen. Wie sehr hat er Sie geprägt und wie hat sich die Arbeit ein Vierteljahrhundert später verändert?
Es war großartig. Jim hat mich auch damals schon respektiert, und ich habe oft gesagt, in einer Krise ist man am besten bei James Cameron aufgehoben, denn er weiß einfach immer, was zu tun ist.
In der Fortsetzung soll es viele Unterwasser-Szenen geben. Sie sollen den Atem länger als sieben Minuten anhalten können, länger als Tom Cruise.
Angeblich! Sogar 7 Minuten und 14 Sekunden! Mein Mann hat es gefilmt.
Wie schafft man es, die Luft so lange anzuhalten?
Es ist wirklich eine Kunst. Man muss den Kopf frei kriegen, den Herzschlag herunterfahren, eine Serie von Atemübungen machen und den Körper mit Sauerstoff füllen. Es ist ein ziemlich komplizierter Prozess. Das Training hat mir viel gebracht: Auch heute noch möchte ich, wenn ich Stress habe, am liebsten in einen Swimmingpool springen und die Luft anhalten, denn es ist so entspannend.
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