Am kommenden Mittwoch, dem 29. September, jährt sich die Eröffnung des von Manfred Deix mitinitiierten und von „Ironimus“ Gustav Peichl geplanten Hauses zum 20. Mal. Die Gründerfiguren bleiben zwar wichtige Säulen, ihre Werke – die organisatorisch nicht dem Museum selbst, sondern den Landessammlungen Niederösterreich zugeordnet sind – bilden einen wichtigen Teil des Bestandes, der rund 7000 Originale umfasst.
Gusenbauer, seit 2012 im Amt, geht aber bei Ausstellungen und als Berater der Sammlung oft darüber hinaus. Unter seiner Ägide zeigte das Haus Themenschauen, etwa zu Ereignissen wie der Mondlandung oder Österreichs EU-Beitritt. „Man kann Zeitgeschichte sehr gut mit Karikaturen nacherzählen, weil sie oft treffender sind und viel genauer die Stimmung erfassen“, erklärt er.
Karikaturen und andere bildsatirische Formen würden zudem stets eine Geschichte der Medien erzählen, erklärt der Experte, der auch das Linzer Festival „Next Comic“ begründete. Das erste Comic etwa, 1896 in New York gedruckt, verdankte sich beispielsweise der Möglichkeit, Gelb zu drucken: „Der Zeitungsherausgeber hat sehr unkünstlerisch zum Zeichner Richard F. Outcault gesagt: Mach was Gelbes! Der erfand dann das Yellow Kid, das erste Comic: Das waren Geschichten eines Kindes, das aus den Arbeitervierteln New Yorks berichtet hat. Eigentlich eine sehr soziale Idee.“
Der Ruf des Randständigen, den satirische Zeichnungen schon vor dem Aufkommen dieser „Yellow Press“ hatten, verschaffte der Karikatur auch Freiheiten: „In Zeiten, wo in der ,Hochkunst‘ nur das Schöne gezählt hat, hat die Karikatur im Heimlichen begonnen, das Hässliche – oder auch das Realere – zu zeigen. Es wurde der aufklärerische Wert aber lange nicht erkannt“, sagt Gusenbauer.
Das Karikaturmuseum sieht sich damit durchaus in einer geistigen Tradition, die Querverbindungen betont. Seit an der Kunstmeile auch noch die Landesgalerie Niederösterreich Bestände der Landessammlungen präsentiert, ergeben sich dafür neue Kooperationsmöglichkeiten, sagt Gusenbauer: „Weil Karikatur zwar in der Kunst angekommen ist, aber doch nach eigenen Gesetzen funktioniert, glaube ich dennoch, dass die Berechtigung für ein Karikaturmuseum weiterhin gegeben ist.“
Gerade das mediale Umfeld habe sich massiv verändert, bekräftigt der Museumschef: „An sich war die Karikatur noch nie so stark verbreitet und noch nie so wichtig wie jetzt. Zugleich sind die Bedingungen für Künstlerinnen und Künstler viel schlechter geworden – indem jeder sofort publizieren kann, aber kein Geld dafür bekommt. Viele Zeitungsredaktionen haben aufgehört, mit fixen Zeichnerinnen und Zeichnern zu arbeiten. Da braucht es Institutionen wie Museen, Festivals und Preise, die ein Forum bieten.“
Für den Museumsmann liegt dabei weiter der Fokus auf analogen Originalen – sprich Zeichnungen auf Papier. Doch auch hier erweitert sich das Feld – und nicht nur, weil Zeichner heute auch mit Digital-Tools arbeiten. „Wir bereiten nun etwa eine Ausstellung über den typischen Österreicher vor“, erzählt Gusenbauer. „Wenn man da Stimmen mit Migrationshintergrund draußen ließe, wäre das ein sehr ignorantes oder hochnäsiges Bild. Wir haben einen Bestand an Deix und Sokol, die werden natürlich vorkommen. Aber wir hängen jetzt auch an den Videos von Die Chefredaktion auf Instagram oder Toxische Pommes auf Tiktok (beides junge Medienprojekte mit tw. migrantischem Hintergrund, Anm.). Wir werden eine Form finden, mit diesen satirischen Künstlerinnen und Künstlern zu reden. Sonst ist das eine halbe Geschichte.“
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