Jelinek assoziiert sich quer durch Zeit- und Literaturgeschichte. Sebastian Kurz wird hier leicht erkennbar (die Schauspieler tragen sehr typische Frisuren) mit dem Rauschgott Dionysos verglichen - und damit eine Querverbindung zu den "Bakchen" des Euripides gezogen, die ebenfalls am Burgtheater zu sehen sind.
Jelinek nimmt die wehleidige, von Frauenangst durchzogene Sprache der Rechtspopulisten sowie deren ungeniert ausgelebte Machtbesoffenheit, die im Ibizia-Video offenkundig wurde, ernst - und entlarvt sie dadurch gleichzeitig als Selbstparodie. "Über Ibiza muss man lachen, man kann es aber nicht", schreibt Jelinek im Programmheft.
Kabarett
Regisseur Robert Borgmann bricht Brocken aus diesem Textgebirge heraus und löst sie in lebenden Bildern auf. Vieles ist packend und faszinierend, manches auch einfach platt (das minutenlange Einreißen einer Wand wirkt wie eine Regietheater-Parodie). Wenn Martin Wuttke und Caroline Peters ihre Texte als unheimliche Clownerien darbieten, hält man vor Spannung den Atem an. Die Jungpolitiker-Nummern von Felix Kammerer und Christoph Luser sind gut gespieltes Kabarett, die dazu gehörenden Texte aber für Kabarett nicht lustig genug.
An einigen wenigen Stellen kommt die Inszenierung gefährlich nah an den Villacher Fasching (wobei: vielleicht soll das ja genau so sein?). Alle vier Darsteller agieren aber auf höchstem Niveau, großartig unterstützt durch einen Sprechchor und zwei Sängerinnen.
Nach der Pause nimmt die Inszenierung das Tempo heraus und befasst sich mit den Morden der Neonazi-Terrorgruppe NSU - ein sehr unheimlicher Teil.
Fazit: Eine hoch interessante, mit über drei Stunden aber deutlich zu lange Inszenierung, in der Packendes wie Seltsames direkt nebeneinander liegen.
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