Über die wunderschönen Kommunistinnen

"Der Garten der Dissidenten": Autobiografisch gefärbte Familiengeschichte, die ein Jahrhundert Politik erzählt.

Die Szene mit dem Ofen wird man lange im Gedächtnis behalten. Obwohl Jonathan Lethem sie fast beiläufig schildert. Eine Mutter versucht, sich und ihre Teenager-Tochter mit Gas zu vergiften, indem sie der Jüngeren den Kopf in den Ofen drückt.

Sie sorgte sich um deren Zukunft ... Rose, die Mutter, wird danach theatralisch zu ihrer Tochter Miriam sagen: "Du bringst mich um." Miriam spottet: "Eine Familientradition." Dieser Moment wird zur Schlüsselszene von Jonathan Lethems Familienroman "Der Garten der Dissidenten". Danach kann es, natürlich, keine normale Beziehung mehr geben zwischen Mutter und Tochter.

Lethem (50) erzählt von der wortgewaltigen Rose, einer Kommunistin, die aus der Partei ausgeschlossen wird, weil sie einen Schwarzen liebt. Zuvor lebte sie mit ihrem Mann Albert, einem vor den Nazis nach Amerika geflüchteten Deutschen, der sich später in die DDR absetzte. Rose bleibt trotz allem ihren politischen Überzeugungen treu und entwickelt sich zur wütenden Überzeugungstäterin. Ihre Tochter Miriam, wunderschön und besserwisserisch wie die Mutter, muss mühsam ihren Weg finden – sie findet ihn in einer Kifferkommune in Nicaragua. Ihr Sohn Sergius bleibt allein in den USA zurück und wird mit acht Jahren Vollwaise.

Über die wunderschönen Kommunistinnen

Lethem, einer der wichtigsten US-amerikanischen Schriftsteller seiner Generation ("Die Festung der Einsamkeit", 2003) verneigt sich in seinem Roman vor seiner kommunistischen Großmutter und dem deutschen Großvater. Neben den familiären Verstrickungen nimmt er sich auch die politischen vor: Dass Rose, eine Jüdin, ihre Tochter fast vergast, ist ein Detail eines Bogens, der sich von Judenverfolgung im Zweiten Weltkrieg über den Kommunismus bis zur Hippie- und Occupy-Bewegung spannt. Zuletzt streut er noch eine Prise 9/11 über seinen dichten Roman, in dem er den Kontrollwahn beschreibt, den jeder, der schon einmal versucht hat, in die USA einzureisen, kennt.

Ein karger Schreiber wie Hemingway ist Lethem nicht. Seine Sätze strotzen vor Adjektiven, Metaphern und Vergleichen. Man liest das trotzdem gern. Ja, man verschlingt diesen Roman.

KURIER-Wertung:

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