Sie fand, dass es bei der Regelung ihrer Nachfolge auch ernst zu nehmende Bewerbungen aus dem Haus geben müsse. Also wies sie explizit Johnathan Fine auf die Ausschreibung hin. Er ist definitiv „ihr Mann“, um es flapsig auszudrücken: Ende März 2021 bestellte sie den gebürtigen New Yorker, damals Sammlungsleiter des Ethnologischen Museums der Staatlichen Museen in Berlin, zum Direktor des Weltmuseums.
Aufmerksam geworden auf ihn war Haag 2017 durch die Ausstellung „Unvergleichlich“ im Bode-Museum: Jonathan Fine stellte herausragende Kunst aus Afrika in Dialog mit abendländischen Skulpturen. „Da ist er mir aufgefallen“, erzählt Sabine Haag. „Von da an hatte ich ihn am Radar.“ Und so war ihre Freude groß, als sich Fine – von sich aus – für die Leitung des ehemaligen Völkerkundemuseums bewarb. Er setzte den Weg fort, den zuvor der beherzte Niederländer Steven Engelsman eingeleitet hatte: die Aufarbeitung des kolonialen Erbes und die Rückgabe ethnologischer Bestände an die Herkunftsländer (Stichwort: Benin Bronzen).
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Sabine Haag spricht in den höchsten Tönen von Fine, geboren 1969 in New York, und bestätigt damit den Eindruck, den man von ihm in den letzten zwei Jahren gewinnen konnte: „Er ist kein Dampfplauderer“ und – nomen est omen – „ein feiner Mensch“. Die Generaldirektorin ist sich daher sicher, dass die Übergabe friktionsfrei vonstattengehen werde – und damit ganz anders, als sie einst das KHM von Wilfried Seipel übernahm. Damals war ihr von Kulturministerin Claudia Schmied nahegelegt worden, weiter die Kunstkammer zu leiten.
„Dank und Demut“
Haag musste jedoch erkennen, dass die Führung des Konzerns genug Herausforderung ist. Daher werde sich wohl auch Fine auf die Belange des KHM konzentriert – Baustellen gibt es ja genug (siehe Kasten). Die Leitung des Weltmuseums würde, um einen reibungslosen Übergang zu gewährleisten, noch von ihr ausgeschrieben, die Entscheidung aber nur im Einvernehmen mit Jonathan Fine getroffen werden.
Der designierte Chef, ein Kunst- und Kulturhistoriker, der auch Geschichts- und Literaturwissenschaften sowie Jus studiert hat, gab sich bei der Vorstellung bescheiden. Seine Berufung – er setzte sich gegen 19 Mitbewerber durch – erfülle ihn mit „Dank und Demut“, inhaltlich will er seinen interdisziplinären Ansatz fortsetzen und nicht nur „Brücken von der Antike bis zur Gegenwart“ suchen, sondern ganz grundsätzlich auf Basis der Bestände der Häuser „Weltgeschichte erzählen und aktuelle Themen ansprechen“ (siehe Interview auf Seite 28).
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