Welche Rolle spielen Ausstellungen hier im Haus? Und welche Möglichkeiten sehen Sie noch, abseits des touristischen Marketings?
Ausstellungen sind Teil des Programms, ebenso mittelfristige Leihgaben in andere Länder. Und ich glaube, es liegt ein riesiges Potenzial in der Kreation eines neuen digitalen Kanons: Die Welt, wie sie digital wahrgenommen wird, ist für viele Museen trotz vieler Innovationen immer noch zum Teil Neuland. Ich sehe es als Herausforderung und Priorität, die Sammlung in der digitalen Welt zu verankern. Das Nach-Außen-Gehen mit der digitalen Sammlung geht dabei weit über das Online-Stellen von Objekten hinaus.
Wie erklären Sie Menschen in Asien, in Afrika – oder auch jemandem hier in Wien, der keine Beziehung zum Museum hat – warum diese Sammlung bedeutsam ist?
Ich glaube, es fängt damit an, dass viele Leute nicht mehr den Zugang zu Dingen haben, die Kunsthistorikerinnen viele Jahre als selbstverständlich angenommen haben. Man sollte sich überlegen, „back to basics“ zu gehen und ganz niederschwellig anzufangen: Was ist ein Gemälde? Was ist eine Plastik? Wie kann man auf ein Gemälde schauen? Für mich ist Leonard Bernstein, der im vergangenen Jahrhundert Konzerte für junge Leute in New York gemacht hat, ein herausragendes Beispiel. Sein Ziel war, Zugang zur klassischen Musik zu ermöglichen, ohne herablassend zu sein. Dafür eine Entsprechung zu finden, wäre die Herausforderung.
Was ist für Sie das Alleinstellungsmerkmal, wenn man das KHM mit Museen wie dem Metropolitan Museum oder dem Louvre vergleicht?
Die Sammlungen des Verbandes wuchsen aus den kaiserlichen Sammlungen heraus. Das heißt: Das, was hier zu finden ist, repräsentiert die absolute Spitze dessen, was europäische Künstler und Künstlerinnen machen konnten. Das macht es anders als eine Sammlung in Frankreich, die engst mit dem französischen Königshaus und der französischen Republik nach der Revolution verbunden ist. Es ist auch keine Universal-Sammlung wie in New York oder in Berlin, wo der wissenschaftliche Ansatz im Mittelpunkt steht. Hier haben wir eine Sammlung, die aus der zentraleuropäischen Sicht auf die Welt gewachsen ist. Natürlich gibt es Meisterwerke, die nirgendwo sonst zu sehen sind, und die sollte man herausragen lassen.
Diese imperiale Geschichte ist ein Pluspunkt, aber vielleicht auch ein Nachteil – weil sich Leute von dieser Hierarchie und dem Pomp abgestoßen fühlen.
Aber man muss die Geschichte nicht immer von oben erzählen! Das ist für mich das Interessante an Kunstwerken: Sie erzählen nicht nur über die Mäzene und Patrone, sie erzählen auch von den Künstlern und Künstlerinnen, die sie geschaffen haben. Sie entstanden in einem Kontext, der nicht immer imperial war. Man darf nicht vergessen: Der KHM-Verband besteht aus Museen mit sehr unterschiedlichen Sammlungen.
Welche Rolle wird Gegenwartskunst künftig spielen? Es gab in diesem Feld viel beachtete Ausstellungen, aber nie eine eigene Struktur.
Sich mit Gegenwart auseinanderzusetzen, setze ich nicht gleich mit Gegenwartskunst. Man kann auch fragen: Wie bringt man die historischen Kunstwerke im KHM enger und tiefer in Verbindung mit Gegenwartsthemen und Gegenwartsfragen? Das muss nicht mit zeitgenössischen Kunstwerken erfolgen. Das war ein Thema, das ich in meiner Bewerbung sehr stark eingebracht habe. Ja, Gegenwartskunst gehört auch in historische Museen, das wird auch weiter so sein. Aber ich möchte nicht mit der Albertina oder dem mumok konkurrieren.
Die Schatzkammer gilt als renovierungsbedürftig – ist das ein Thema für die Zeit nach Ihrem Antritt?
In der Schatzkammer werden wir auch tätig sein. Aber das erste brennende Thema wird sein: Wie etablieren wir im KHM-Haupthaus Räume, die den ständigen Betrieb mit Sonderausstellungen gut unterbringen können?
Die Überdachung des KHM-Innenhofs wurde dafür immer wieder angedacht.
In einer Welt, in der alle Mittel zur Verfügung stünden, würde ich absolut gern in Erwägung ziehen, wie man mit den Innenhöfen oder dem Maria-Theresien-Platz umgehen könnte. Ich glaube aber, wir leben in Zeiten, in denen große Bauprojekte dieser Art nicht möglich sind. Und ich möchte einen nachhaltigeren Ansatz anstreben, bei dem man eher in der gegenwärtigen Architektur versucht, mehr aus dem zu machen, was man hat – und das besser zu bespielen.
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