In Dänemark haben wirklich alle große Probleme

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"Wie keiner sonst": Eine mysteriöse Vater-Sohn-Geschichte, in der nur ganz selten die Sonne scheint

Dänemark, 1986: Ein Sechsjähriger lebt allein mit seinem Vater. Die beiden ziehen von einem Ort zum anderen, leben von der Hand in den Mund. Ein Leben am Rande der Gesellschaft.

Der Vater hält die Familie mit Schwarzarbeit über Wasser, zum Beispiel als Rausschmeißer in einem Bordell. Wenn das Kind Zahnweh hat, redet der Vater so hartnäckig auf den Zahnarzt ein, dass der Bub auch ohne Krankenversicherung behandelt wird. Der Kleine geht nicht in die Schule, die Bildungsarbeit, die dem offensichtlich klugen, studierten Vater wichtig ist, wird daheim oder in der öffentlichen Bibliothek erledigt. Er sei , sagt der Vater zum Sohn, ohnehin viel klüger als die Gleichaltrigen. Eine mysteriöse Geschichte, aber nicht unbedingt eine traurige. Dem Kind scheint es nichts auszumachen, dass die Grenze zum Prekariat längst überschritten ist. Zwei, drei Jahre wird das geheimnisvolle Vater-Sohn-Gespann so durch das Umland von Kopenhagen tingeln. Bis zur dramatischen Wendung.

Das Geheimnis des Älteren wird nach und nach aufgeklärt, es bleibt spannend bis zum Schluss. Dass die Filmrechte an diesem Roman bereits verkauft sind, liegt auf der Hand.

„Wie keiner sonst“ ist der dritte Roman des 37-jährigen Dänen Jonas T. Bengtsson. Auch sein zweiter Roman „Submarino“ (2007) wurde verfilmt, und zwar von Thomas Vinterberg, der mit „Festen“ bereits sein Talent für familiäre Abgründe unter Beweis gestellt hat.

Versoffen & pleite

„Wie keiner sonst“ ist eine dunkelgraue Geschichte. Ganz bestimmt keine Tourismus-Werbung für Dänemark. Alle, die hier vorkommen, haben eine Hypothek. Sind versoffen, pleite, verkrachte Künstler, haben dunkle Familiengeheimnisse. Mädchen haben Essstörungen, Burschen sind eingekifft. In Dänemark scheint die Sonne nur selten.

Die Geschichte des merkwürdigen Vater-Sohn-Gespanns hat aber auch Tröstliches: Die beiden mögen einander, man will erfahren, wie es mit ihnen weitergeht. Das spricht für dieses Buch.

In Dänemark haben wirklich alle große Probleme
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DerAutor selbst scheint begierig auf den Verlauf der Erzählung zu sein: Er schreibt in kurzen, hastigen Sätzen. Meist gelingt das, wird im zweiten Teil auch immer besser. Manches wirkt aber gar bedeutungsschwer, einige Metaphern bewegen sich an der Grenze zu Stilblüten. „Ich lege die Hand auf die kühle Scheibe und spüre, wie die Stadt brummt. Sie knurrt wie ein wütender Hund.“ Gut, das ist ein Satz aus dem ersten Kapitel, als der Ich-Erzähler gerade einmal sechs Jahre ist. Das Erwachsenwerden vertreibt die hinkenden Vergleiche. Die Beschreibungen vom Geschmack von Bier und Erbrochenem gelingen besser.

KURIER-Wertung: ***** von *****

INFO: Jonas T. Bengtsson: „Wie keiner sonst“ Kein und Aber Verlag. Aus dem Dänischen übersetzt von Frank Zuber. 448 Seiten. 23,60 Euro.

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