JJ will Song Contest 2026 ohne Israel: ESC-Sieger rudert teilweise zurück

Grand Final of the 2025 Eurovision Song Contest, in Basel
Der österreichische Gewinner des Eurovision Song Contest, JJ, möchte Israel 2026 nicht dabei haben. Jetzt bedauert er, "missverstanden" worden zu sein. Der ORF spricht von "Privatmeinung", auch EBU reagiert.

Zusammenfassung

  • ESC-Sieger JJ verlieh am Mittwoch in einem Interview seiner Überzeugung Ausdruck, dass Israel vom Song Contest auszuschließen sei. In einer weiteren spanischen Zeitungen verglich er Israel mit Russland.
  • Der österreichische Sänger stellte auch das Votingsystem infrage.
  • Am Donnerstag relativierte JJ seine Aussagen in Teilen. Auch der ORF und die EBU reagierten.

JJ, der österreichische Sänger, der vergangenen Samstag den Eurovision Song Contest gewonnen hat, schließt sich jenen Stimmen an, die einen Ausschluss Israels vom Bewerb fordern. 

Der spanischen Zeitung El Pais sagte der 24-Jährige: "Ich würde mir wünschen, dass der Eurovision Song Contest nächstes Jahr in Wien stattfindet und ohne Israel". Er sei "sehr enttäuscht, dass Israel noch an dem Wettbewerb teilnimmt".

Aber das könne nur die EBU, der Rundfunkverbund, der den Contest veranstaltet, entscheiden. "Wir Künstler können nur unsere Meinung dazu sagen." 

Er äußerte der Zeitung gegenüber auch, dass das Votingsystem geändert werden müsse, es brauche mehr Transparenz. "Heuer war alles sehr seltsam."

JJ über Israel und ESC-Votingsystem

Er bezieht sich auf den Antrag einiger Rundfunkanstalten, unter anderem der spanischen RTVE, das Voting zu überprüfen. Diese sind "der Ansicht, dass das Televoting durch die aktuellen militärischen Konflikte beeinflusst wurde und dies den kulturellen Charakter der Veranstaltung gefährden könnte".

Grund dafür sind die vielen Publikumsstimmen, die Israel im Vergleich zur Jurywertung bekommen hat. Bei der Abstimmung über den ESC-Sieg fließen gleichberechtigt die Stimmen des Publikums und die Stimmen von Fachjurys ein. Die Jurys bestehen aus Musikern, Produzentinnen und anderen Branchenexperten.

Vergleich mit Russland

In einem weiteren Interview mit einer spanischen Zeitung, El Mundo, hat Johannes Pietsch, so sein bürgerlicher Name, Israel in mit Russland verglichen: „Es gibt ein Land, das teilnehmen darf, obwohl es sich im Krieg befindet, und Russland wurde genau deswegen ausgeschlossen. Warum macht man nicht dasselbe mit diesem Land? Außerdem hat dieses Land den ganzen Wettbewerb lang versucht, zu provozieren, und keiner von uns verteidigt, was sie machen. Und das erscheint mir herzzerreißend.“ In einem Video des spanischen mediums ABC, das im Netz zirkuliert, bezeichnet Pietsch beide Länder, Russland und Israel, als „Aggressoren“. 

Thema war am Donnerstag auch ein Posting zu den beiden erschossenen israelischen Botschaftsmitarbeitern in Washington. JJ soll einen entsprechenden Medienbericht über die Tat geliked haben, was Screenshots auf Facebook nahelegen.

JJ: "Es tut mir leid, falls ..."

JJ meldete sich zu Mittag über seine Plattenfirma Warner zu Wort: "Es tut mir leid, falls meine Worte missverstanden wurden. Obwohl ich die israelische Regierung kritisiere, verurteile ich jegliche Form von Gewalt gegen Zivilisten überall auf der Welt – sei es gegen Israelis oder Palästinenser." Und er fügt an: "Zu diesem Thema werde ich mich nicht weiter äußern."

Bereits in einem Interview mit dem Kölner Radio-Sender 1Live am Donnerstag war der Sänger einer Frage zu seiner Israel-Kritik ausgewichen: "Ich möchte jetzt dazu kein Statement abgeben, aber prinzipiell ist es schön, seine Plattform für Awareness zu verwenden“, sagte Pietsch.

ORF distanziert sich von Aussagen

Die Aussagen des Sängers werfen freilich auch einen Schatten auf die Vorbereitungen für den Song Contest im kommenden Jahr in Österreich. Der ORF kommentiert auf KURIER-Anfrage: "JJs Aussagen geben seine Privatmeinung wieder und stehen in keinem Zusammenhang mit dem ORF. Für den ORF stehen beim ESC die Musik und die künstlerischen Darbietungen im Vordergrund." Der öffentlich-rechtliche Sender, der den ESC 2026 ausrichten muss, verwies zudem auf die Trägervereinigung des ESC, die European Broadcasting Union: "Die EBU hat zudem eindeutige Richtlinien, die Politik von Unterhaltung trennen.  Sie ist die einzige Instanz, die über die Teilnahme oder den Ausschluss von Ländern entscheidet."

EBU: "Nicht Konflikte miteinander vergleichen"

Auch die EBU reagierte bereits auf die Aussagen JJs: "Wir verstehen die Sorgen und tief verwurzelten Ansichten rund um den aktuellen Konflikt im Nahen Osten und stehen in ständigem Kontakt mit allen teilnehmenden Sendern zu allen Aspekten des Wettbewerbs. Die EBU ist nicht immun gegen globale Ereignisse, aber gemeinsam mit unseren Mitgliedern ist es unsere Aufgabe, sicherzustellen, dass der Wettbewerb im Kern ein universelles Ereignis bleibt, das durch Musik Verbindungen, Vielfalt und Inklusion fördert. Wir alle streben danach, den Eurovision Song Contest positiv und inklusiv zu gestalten und die Welt so zu zeigen, wie sie sein könnte, und nicht, wie sie notwendigerweise ist."  

Der ESC-Ausrichter erinnert daran:" Die EBU ist ein Zusammenschluss öffentlich-rechtlicher Rundfunkanstalten, nicht von Regierungen. Diese sind berechtigt, jedes Jahr am Eurovision Song Contest teilzunehmen, wenn sie die notwendigen Voraussetzungen erfüllen. Es ist nicht unsere Aufgabe, Konflikte miteinander zu vergleichen." Die EBU stehe weiterhin "im Einklang mit anderen internationalen Organisationen, die ebenfalls ihre inklusive Haltung gegenüber israelischen Teilnehmern an großen Wettbewerben beibehalten haben."

Mikl-Leitner kritisiert "Antisemitismus"

Niederösterreichs Landeshauptfrau Johanna Mikl-Leitner hatte noch am Vormittag mit auffallend scharfen Worten reagiert. „Israel aus dem ESC werfen? Ganz sicher nicht!“, sagte sie laut einer Aussendung. „JJ ist ein großartiger Sänger – aber offenbar politisch gefährlich schlecht beraten“, so Mikl-Leitner. „Wer Israel ausschließen will und mit Russland in einen Topf wirft und dabei mit keinem Wort den beispiellosen Terrorangriff der Hamas erwähnt, mit 1.200 Toten und immer noch entführten Geiseln, braucht keine Bühne, sondern dringend eine Geschichtslektion. In Niederösterreich wird es jedenfalls keinen ESC ohne Israel geben! Antisemitismus hat in Europa keinen Platz – egal, wie er sich tarnt.“

Oskar Deutsch, Präsident der Israelitischen Kultusgemeinde, konstatierte via X: "JJ rief nach dem ESC auf, Liebe zu verbreiten. Jetzt reiht er sich aber in den Chor der Israel-Hasser ein, macht israelische Opfer zu Aggressoren und spaltet. Das ist enttäuschend, aber vor allem gefährlich."

"Die Aussagen unseres Songcontest-Gewinners JJ sind inakzeptabel. Israel aus dem ESC ausschließen zu wollen und es mit Russland gleichzusetzen, ist völlig verfehlt und geschichtsvergessen", betonte Alt-Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP). Wer den brutalen Terrorangriff der Hamas ignoriere - bei dem über 1.200 Menschen ermordet, Familien zerstört und zahlreiche Geiseln verschleppt wurden, von denen viele bis heute in Gefangenschaft sind - und zugleich Israel dämonisiere, bediene gefährliche antisemitische Muster.

"Terror und Antisemitismus haben in unserer freien, pluralistischen Gesellschaft keinen Platz, genauso wenig wie Sympathien dafür", reagierte Alexander Pröll (ÖVP), Staatssekretär für Kampf gegen Antisemitismus. Der Versuch einer Gleichsetzung von Russland mit Israel komme einer Geschichtsfälschung gleich.
 

Israel, für das Yuval Raphael, eine Überlebende des Nova-Festivals am 7. Oktober eine Ballade über Neuanfang gesungen hat,  erhielt vom Publikum 297 Punkte und rutschte vom 15. auf den zweiten Platz.

Zum Vergleich: 2023 erhielt der finnische Beitrag 376 Punkte und wurde ebenfalls zweiter.

Auch heuer gab es im Umfeld des Song Contests Proteste und Demonstrationen gegen den Krieg in Gaza. Im Vorfeld forderten Künstler, unter anderem Vorjahressieger Nemo, dass Israel vom Wettbewerb ausgeschlossen werde.