Lotte de Beer leitet ab 2022 Wiener Volksoper - "künstlerische Bezauberung"
Die junge Regisseurin Lotte de Beer leitet die Wiener Volksoper ab der Saison 2022/23. Kulturstaatssekretärin Andrea Mayer (Grüne) und Christian Kircher als Bundestheater-Holding-Chef gaben am Dienstag die Nachfolge von Robert Meyer bekannt. Mayer dankte allen Bewerberinnen und Bewerbern und dem Langzeit-Direktor Robert Meyer.
"Ich freue mich riesig", sagt die künftige Leiterin aus den Niederlanden. Die Anfrage erreichte sie in der Lockdown-Zeit - und "da hatte ich endlich Zeit zu denken. Was ist wichtig im Leben und in der Kunst? Die Welt, die ich kannte, die scheint plötzlich sehr weit weg." In Zeiten, in der die Welt friedlich ist, hat die Kunst die Aufgabe, aufzurütteln. "Aber in diesen dunklen und beängstigenden Zeiten hat die Kunst eine andere Aufgabe".
Das junge Publikum haben "wir verloren", sagte die 39-Jährige. "Es ist Zeit für mich, anzufangen, zu bauen. Bleibende Beziehungen aufzubauen mit Menschen auf der Bühne, hinter der Bühne, im Graben und vor allem im Publikumsraum." Und zu bauen an einer Musiktheatertradition, die im Zentrum der Gesellschaft steht. Sie wolle einen "starken musikalischen Partner" suchen, einen Musikdirektor, der "auch wie ich Teamplayer ist". Zusammen wolle man sich "dem allerallerwichtigsten" widmen: Dem Publikum. "Ich bin keine Musikerin, ich brauche jemand sehr starken neben mir", sagte sie. Sie habe Namen im Hinterkopf, wolle aber mit Orchester und Ensemble sprechen. Es müsse "für alle Menschen an der Volksoper passen".
Brücken bauen
Die allerwichtigste Frage sei, wie man ein neues Publikum inkludieren könne, ohne die Menschen zu verlieren, die diese Kunstform schon lieben. "Das wäre der größte Fehler." Sie wolle nicht das Publikum "wegspielen", sondern "alles machen, um die Hand auszustrecken, Brücken zu bauen". Statt Dekonstruktion und Schockieren will ich "künstlerische Bezauberung" bringen. Damit könne man verschiedene Publikumsgruppen vereinigen.
Wenn es Probleme gebe, dann komme ihr "Theaterspirit heraus: Hurra, ein Problem!" Sie wolle für die Dotierung kämpfen.
Operette als "richtiges Genre"
Mit der für die Volksoper so wichtigen Operette habe sie "immer schon eine Verbindung gefühlt". Diese sei "DAS richtige Genre für diesen Moment", in de tumultuösen politischen Zeit habe diese "etwas Eskapistisches". Sie wolle "keine musikalischen Grenzen", sondern eine "neue Synergie". Die Zukunft des Musiktheaters liege in der "Umarmung der eigenen Diversität". Sie wolle eine Regie am Haus und maximal eine auswärts pro Jahr machen - aber "so viel wie möglich an der Volksoper" sein.
Sie habe "all die Jobs" in Musiktheatern selbst gemacht - und dann "kann man besser managen", sagte sie auf die Frage, ob sie sich die erste Leitung eines großen Hauses zutraue.
"Oper für das Volk zu machen"
"Ich weiß, dass die Kommission sehr ernsthaft und ausführlich für diese Entscheidung gearbeitet hat", sagt Mayer. Zwei Personen seien ihr empfohlen worden, "ich habe mich schlussendlich für Lotte de Beer entschieden." Sie schrieb in ihrer Bewerbung "Oper für das Volk zu machen, und das ist mir als der richtige Ansatz erschienen." Am Ende ihrer Amtszeit werden die Wiener de Beer "ins Herz geschlossen haben". De Beer kenne das Musiktheater von der Pieke auf und habe viel Hintergrundwissen "ebenso wie die Kreativität, neues zu schaffen". Sie werde "frischen Wind bringen", aber gleichzeitig die Traditionen respektieren und mit ihnen arbeiten. Und sie werde neues Publikum erreichen. "Ihre Überzeugungskraft ist sehr, sehr ansteckend." Sie wolle sich verstärkt mit Operette beschäftigen - und halte dies für die "ideale Kunstform" dieser Zeit. "Die Volksoper hat alle Voraussetzungen, ein Haus zu sein, das das Wiener Publikum erreicht und gleichzeitig die ganze Welt zu inspirieren", habe de Beer in ihre Bewerbung geschrieben.
Es habe Gespräche mit 20 Bewerbern gegeben, sagte Kircher. Es sei "die größte Aufgabe, ein Theater wie die Wiener Volksoper zu besetzen", da die Aufgaben so vielfältig sind. Robert Meyer habe das Haus viele Jahre extrem erfolgreich geführt.
Der KURIER nannte zuletzt die junge Regisseurin Lotte de Beer (Jahrgang 1981) als Überraschungskandidatin für den Posten.
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