"Die Sache Makropulos": So war die Staatsopern-Premiere

Laura Aikin als Emilia Marty und Wolfgang Bankl als Dr. Kolenatý: Erstmals „Makropulos“ am Ring
Janáček mit Problemzonen, aber einem fulminanten Finale.

Ist ewiges Leben wirklich erstrebenswert? Sollte sich ein beispielsweise 1980 Geborener danach sehnen, 337 Jahre später, also 2317, immer noch auf der Welt zu sein? Werden dann noch Opern geschrieben? Falls ja, wo werden sie aufgeführt? Im Einkaufszentrum? Im Einkaufsnetz? Oder nur im Kopf?

Davon, oder zumindest von ähnlichen Fragen, handelt die Oper "Die Sache Makropulos" von Leoš Janáček, die nun endlich, 89 Jahre nach ihrer Uraufführung, an der Wiener Staatsoper erklingt. Allein diese Tatsache ist erfreulich, und man kann Musikliebhabern und solchen, die es noch werden wollen, nur raten, sich die Chance nicht entgehen zu lassen.

Die Geschichte

"Die Sache Makropulos", das vorletzte musiktheatralische Werk von Janáček, ist inhaltlich genial, auf einer "Komödie" von Karel Čapek basierend und trotz des Inhaltes nicht im geringsten esoterisch, sondern zutiefst ernsthaft. Und auch musikalisch faszinierend: reich an melodischen Einfällen, klanglich mitreißend, ungewöhnlich instrumentiert, leitmotivisch klar strukturiert, die Emotionen der Figuren präzise analysierend.

Konkret ist die "Sache Makropulos" ein Rezept, das der Leibarzt von Kaiser Rudolf II. zur Verlängerung des Lebens erfand. Er probierte es an seiner Tochter Elina Makropulos aus. Da Genialität aber oft nicht sofort erkannt wird, erging es auch Hieronymus Makropulos so.

Elina lebte jedenfalls weiter und weiter und weiter, stets unter anderem Namen, immer mit den Initialen E. M., zum Zeitpunkt dieser Oper ist sie die Sängerin Emilia Marty im Prag des Jahres 1922.

Sie muss, 337 Jahre nach ihrer Geburt, die geheime Rezeptur wiederfinden, lässt sich zu diesem Zwecke in einen Erbschaftsprozess verwickeln, wird – wie seit Jahrhunderten – auch diesfalls von ziemlich dämlichen Männern umworben und verzichtet schließlich auf das Elixier. Freunde, das Leben ist lebenswert – aber nur, weil es endlich ist, weil es im Hier und Jetzt stattfindet. Eine weise Entscheidung.

An der Staatsoper führt Peter Stein Regie, ein Meister für historische Stoffe. Es wäre ungerecht zu behaupten, die Inszenierung sehe aus wie zu Zeiten Rudolfs II. Stein belässt die Geschichte in der Entstehungszeit, also in den 1920er-Jahren, in einer Anwaltskanzlei, im Opernhaus (zu sehen ist ein Prospekt der Wiener Oper vor der Zerstörung im Krieg) bzw. in einem Art-Deco-Hotel.

Etwa zwei Stunden lang sieht man Stein-Theater, vom Blatt inszeniert, bewegungsarm, ohne jede metaphysische Komponente, die unterschiedlichen Zeitebenen völlig ausklammernd. Die letzten 20 Minuten jedoch entschädigen für alles: Wenn Emilia Marty wie eine Mumie oder eine Person aus "The Walking Dead" die Bühne betritt und die Sinnlosigkeit ewigen Lebens erkennt, ist man zutiefst berührt.

Die Besetzung

Laura Aikin spielt diesen Moment fabelhaft, davor ist sie allzu statisch und kämpft mit ihrem nicht sonderlich großen Sopran gegen die Orchesterwogen an. Einige Ausbrüche sind jedoch dramatisch, auch den Parlando-Ton von Janáček trifft sie zumeist gut. Der Großteil der Besetzung bietet nur Mittelmaß, von Ludovit Ludha (Albert Gregor) über Thomas Ebenstein (Vitek), Markus Marquardt (Jaroslav Prus), bis Carlos Osuna (Janek Prus). Wolfgang Bankl hingegen ist ein markanter Dr. Kolenatý, Margarita Gritskova eine ausdrucksstarke Krista und Heinz Zednik ein famoser Hauk-Sendorf.

Das Dirigat von Jakub Hrůša am Pult des farbenprächtig und präzise spielenden Orchesters ist solide, aber nicht sehr differenziert, allzu linear, dynamisch nicht besonders ausbalanciert. Vermutlich wird das im Verlauf der Spielserie noch besser.

Insgesamt keine schlechte Aufführung, an den Triumph bei den Salzburger Festspielen 2011 mit Angela Denoke, Regisseur Christoph Marthaler und Dirigent Esa-Pekka Salonen kommt sie aber nicht heran.

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