Die Poesie des Kindskopfs

James Krüss, in dessen Kopf ein zweiter, ein Kindskopf steckte
Sein "Wohltemperierter Leierkasten" ist wieder zu haben.

Abend, Abend will es werden, alle Tiere schlafen ein, alle Bäume flüstern leiser und ein ferner, ferner Kaiser steigt ins goldene Bett hinein.

Es gibt Kinder, die können nicht einschlafen, bevor man ihnen nicht das Gedicht „Abend, Abend will es werden“ vorgetragen hat. Und es gibt auch Kinder, für die Weihnachten nicht Weihnachten ist ohne das „Weihnachtslied vom Eselchen“.

Es gibt diese Kinder seit über einem halben Jahrhundert. 1961 erschien James Krüss’ Gedichtesammlung „Der wohltemperierte Leierkasten“ zum ersten Mal. Wer das Glück hatte, Eltern zu besitzen, die ihm aus diesem wunderbaren Buch vorlasen, hat die Gedichte heute noch im Ohr. Krüss’ kindisch-poetische Sprachspielereien, seine kurzen Geschichten zum Schmunzeln und manchmal auch zum Zerquetschen einer Träne legen den Nährboden für ein lebenslanges Faible für Sprachmelodie. Der cbj-Verlag hat den „Wohltemperierten Leierkasten“, der den Untertitel „Gedichte für Kinder, Erwachsene und andere Leute“ trägt, nun neu aufgelegt. Dafür kann man dem Verlag nicht genug danken. Die Rüge folgt allerdings auf dem Fuß: Es fehlt im Vergleich zum Original einiges. Wo ist „Der Garten des Herrn Ming“ hingekommen? („Im stillen Gartenreiche/ Des alten Gärtners Ming/ Da schwimmt in einem Teiche ein Wasserrosending“...).

Aber wenigstens ist „Wenn Möpse Schnäpse trinken“ drin.

Das Geheimnis der Krüss’schen Poesie beschreibt Erich Kästner in einem „Nachwort des älteren Kollegen“: In Krüss’ Kopf stecke ein zweiter, ein Kindskopf. „Der Mann und das Kind im Manne klingen synchron. Und ihr Leierkasten klingt wohltemperiert. Für die Kinder. Und für die Kenner“.

Die Poesie des Kindskopfs
Buchcover
Kästner förderte den 27 Jahre jüngeren Kollegen. Er ließ den gelernten Lehrer ein Hörspiel aus seiner „Konferenz der Tiere“ entwickeln und war fortan begeistert vom diesem „lebenslänglichen Kind“.

Der auf Helgoland geborene James Krüss starb 1997 im Alter von 71 Jahren. Zu seinen populärsten Büchern gehören „Timm Thaler“ und „Mein Urgroßvater und ich“. Den deutschen Jugendbuchpreis erhielt der stets rotbäckige Mann mit dem Bubengesicht 1960 für seine beispielhafte Sammlung der 365 besten deutschen Kindergedichte in der Anthologie „So viele Tage wie das Jahr hat“. Kinderpoeten von Abraham a Santa Clara bis Erich Kästner und James Krüss selbst sind hier vertreten.

Sie ist schuld daran, dass das seltsame Tier auf der Suche nach seiner Identität aussieht, wie es nun einmal aussieht. Klein, dick und rosa kariert. Unverwechselbar. „Ich bin ich“ eben. Die von Susi Weigel gezeichneten Figuren und Illustrationen kennen alle: „Das kleine Ich bin ich“, „Die Geggis“ und „Die Omama im Apfelbaum“. Susi Weigel schuf liebevolle und unvergessliche Bilder zu den Texten von Mira Lobe. Am 29. Jänner wäre sie 100 Jahre alt geworden.

Die Poesie des Kindskopfs
Das kleine Ich bin Ich
1914 in Proßnitz in Mähren geboren, studierte Susi Weigel in Wien an der Hochschule für angewandte Kunst und an der Akademie der bildenden Künste und arbeitete später in Berlin als Trickfilmzeichnerin. Die langjährige Zusammenarbeit mit Mira Lobe wurde mit nationalen und internationalen Preisen ausgezeichnet. Im Februar 2014 erscheint „Das kleine Ich bin ich“ erstmals in englischer Sprache (im Jungbrunnen-Verlag).

Jugendbuchpreis, Staatspreis für Kinderlyrik, Staatspreis für Kinder- und Jugendliteratur ... die Lyrikerin Friedl Hofbauer ist eine vielfach Ausgezeichnete. Die Germanistin, Autorin und Übersetzerin erfreut Kinder und Vorleser seit Jahrzehnten mit witziger, hintergründiger, feinsinniger Sprachpoesie (wunderbar: „Im Lande Schnipitzel“). Nun wurde die Grande Dame der österreichischen Kinderlyrik 90. Aus diesem Anlass nimmt das Figurentheater Lilarum ihr Stück „Der kleine Monddrache“ wieder auf. Zu sehen ist das Stück für Kinder ab vier bis 2. Februar.

Die Poesie des Kindskopfs
Figurentheater LILARUM, 3., Göllnerg. 8, Karten: 01/ 710 26 66 oder lilarum@lilarum.at, Preis: 8 € (Schoßplatzkarte: 5 €)

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