Jakob Prandtauer: Der Baumeister Niederösterreichs
„Es gibt Leute, die stehen alle schwierigen Kunden durch“, sagt Huberta Weigl. „Und Jakob Prandtauer hatte gewiss ein gutes Nervenkostüm.“
Gute Nerven und vor allem Geduld brauchte die Kunsthistorikerin auch selbst, um jenes Projekt durchzuziehen, das sie sich im Sommer 1997 als Dissertationsthema vorgenommen hatte: Eine Monografie, also die komplette Erfassung des Werks von Jakob Prandtauer, der von 1660 – 1726 lebte und der breiten Bevölkerung vor allem als Planer des Barockstifts Melk bekannt ist.
Doch Prandtauer – ein gebürtiger Tiroler, der sich 1692 in St. Pölten niedergelassen hatte – baute noch viel, viel mehr. Die Augustiner-Chorherrenstifte St. Pölten, St. Andrä an der Traisen, St. Florian, Herzogenburg und Dürnstein verließen sich ebenso auf seine Dienste wie die Benediktinerstifte Garsten und Kremsmünster.
„Er war so etwas wie der Hausbaumeister der Klöster“, erklärt Weigl. „Ab dem Moment, wo er einen Auftragsbau übernahm, war er Mädchen für alles.“ Weil die Klöster mit ihren angegliederten Pfarren auch Wirtschaftsstandorte waren, baute Prandtauer nicht nur Kirchen und Residenzen, sondern ebenso Höfe und Keller für den Weinbau, „Zehenthöfe“, an denen Pächter klösterlicher Gründe ein Zehntel ihrer Erträge ablieferten, Schüttkästen (Getreidespeicher) und mehr. Der Kulturraum in Niederösterreich und dem östlichen Oberösterreich ist damit bis heute stark von Prandtauer geprägt.
Kultur und Wirtschaft
Für Weigl sprengte die Vielfalt der Bauten bald den Rahmen ihrer Dissertation, die letztendlich „nur“ die wichtigsten Klöster behandelte. Doch die ganzheitliche Sicht auf die Zeit und Gesellschaft, in der Prandtauer lebte und arbeitete, war der Kunsthistorikerin ein Anliegen. „Mir war klar, dass in meinen Fußnoten sehr viel Kulturgeschichte steckte“, sagt Weigl. „Wie ist er gereist, was hat das gekostet, wie haben die Auftraggeber getickt? So habe ich das in ein eigenes Kapitel verpackt.“ Es ist jener Teil des zweibändigen Werks, der abseits der wissenschaftlichen Dokumentation für Laien spannende Einblicke bereithält.
Schon die Frage, ob der Formgeber des Melker Barockjuwels als „Architekt“ richtig tituliert ist, ist nicht so eindeutig zu beantworten. Seiner Ausbildung nach war Prandtauer nämlich Handwerker, „er schwang sich mit seinen Fähigkeiten aber zur Architekten-Ebene hinauf“, erklärt Weigl. Zugleich beaufsichtigte er die Bauausführung – aus Verträgen geht etwa hervor, dass er einmal monatlich auf die Melker Baustelle zu kommen hatte. Äbte und Pröpste, aber auch Adlige und reiche Bürger schätzten die Zuverlässigkeit ebenso wie das Kostenbewusstsein des Meisters, sagt Weigl. Und sie sprachen bei der Planung mit: Das moderne Bild des Star-Architekten, der von Mäzenen freie Hand erhält, passt für die Barockzeit nicht.
„Prandtauer hat keinen einzigen Bau aus Lust und Laune errichtet“, erklärt Weigl. „Ich finde es wichtig, dass die Kunstgeschichte auch die Auftraggeber sieht.“
Kirche und Kaiserhaus
Es ist kein Zufall, dass die Klöster im Wirkungsbereich Prandtauers – ganz anders als so genannte „Kastenklöster“ in süddeutschen Raum – wie Paläste anmuten, erklärt Weigl. „Die Klöster zogen dem Bauboom in Wien zu jener Zeit nach“, sagt sie. „Die Orientierungsgröße war die Kaiser- und Residenzstadt – die Äbte und Pröpste verkehrten ja auch mit dem Adel. Doch wer damals Abt wurde, kam meist aus einfachen Verhältnissen. Das Amt gab diesen Leuten einen unglaublichen Statusgewinn – und die Bauten wurden zu Repräsentationsbauten.“ Hinzu kam, dass Melk und andere Klöster auf der Reiseroute des Kaisers lagen, erklärt die Kunsthistorikerin: „Man musste gewappnet sein, dass der Kaiser eventuell hier wohnen will.“
Barocke Buchhaltung
Durch ihr intensives Quellenstudium, bei dem sie auf dem Nachlass der Forscherin Leonore Pühringer-Zwanowetz aufbaute, konnte Weigl auch Prandtauers eigene Reisen minutiös festhalten: Mitunter lieferte nur eine Rechnung für Pferdefutter den Anhaltspunkt, wann der Baumeister an einem bestimmten Ort war. Überhaupt sei die Buchhaltung der Klöster die wichtigste Quelle gewesen, sagt Weigl, die auch ein Betriebswirtschaftsstudium abschloss und sich nach dem Auslaufen einer Assistentenstelle am Wiener Kunstgeschichte-Institut als Schreibcoach selbstständig machte.
Dass sie daran festhielt, ihre Prandtauer-Monografie außerhalb des universitären Betriebs und teils mit Unterstützung privater Sponsoren fertigzustellen, ist wohl Weigls Leidenschaft und Lust am Kommunizieren geschuldet. Dass sich ihr Forschungsfeld nach wie vor räumlich erleben lässt und (abseits von Lockdowns) auch von Kindern und Lehrkräften besucht wird, findet die Forscherin inspirierend: „Es wäre schön, bewusst zu machen, was damals alles geleistet wurde.“
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