Jahrhundertschau im KHM: Bruegel sehen, fühlen und riechen

Jahrhundertschau im KHM: Bruegel sehen, fühlen und riechen
Ab 2. Oktober zeigt das Kunsthistorische Museum eine einmalige Zusammmenschau des Werks von Pieter Bruegel d.Ä.

Es sei höchste Zeit, mit dem Image des „Bauern-Bruegel“ aufzuräumen, sagt Sabine Haag, Generaldirektorin des Kunsthistorischen Museums (KHM). Für ein wirklichkeitsnäheres Bild von Pieter Bruegel d. Ä. (um 1525/ 1530-1569), der die Landschafts- und Genremalerei revolutioniert hat, dürfte eine weltweit einmalige Ausstellung ab 2. Oktober im KHM sorgen.

Sie versammelt – zum 450. Todestag des niederländischen Renaissance-Malers und -Zeichners – mit fast 30 Gemälden rund drei Viertel seiner erhaltenen Ölbilder, dazu Zeichnungen und Drucke von 26 öffentlichen und zahlreichen privaten Leihgebern.

Darunter die Königlichen Museen der Schönen Künste in Brüssel mit der – nach dem KHM, das allein zwölf Tafelbilder besitzt – größten Gemäldesammlung. Und die Königliche Bibliothek mit 90 Original-Radierungen und Stichen des Geschichtenerzählers, Satirikers und Gesellschaftskritikers. „Mit dem Verkauf von Kupferstichen konnte Bruegel seinen Lebensunterhalt finanzieren“, sagt der Brüsseler Grafik-Experte Joris Van Grieken.

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Einzigartig

Ob „Die Anbetung der Heiligen Drei Könige im Schnee“, „Winterlandschaft mit Vogelfalle“, „Zwei angekettete Affen“, „Der Triumph des Todes“ oder das bisher umstrittene Gemälde „Die Bucht von Neapel“ (um 1564), das der Kunsthistoriker Manfred Sellink jetzt nach neuen Erkenntnissen „anhand der Pinselführung und des Detailreichtums“ zweifelsfrei Bruegel zuordnet: „Alle transportfähigen Gemälde werden in Wien gezeigt“, sagt Kuratorin Sabine Penot.

So sind in der umfassenden Gesamtschau im KHM zum ersten Mal seit rund 400 Jahren auch der „Turmbau zu Babel“ aus Wien und der „Turmbau“ aus Rotterdam nebeneinander zu sehen. Einst in der Sammlung Rudolfs II. waren sie vereint.

„Die Bienenzüchter“ und „Der Vogeldieb“ werden überhaupt erstmalig gemeinsam ausgestellt.

Die „Dulle Griet“ aus dem Museum Mayer van den Bergh in Antwerpen ist – eigens in Hinblick auf die Ausstellung restauriert – bereits in Wien eingetroffen.

Aber nicht alle Wünsche sind erfüllbar, manche Holztafeln für Reisen zu fragil. Haag: „Leider konnten wir das Gemälde ,Sturz der rebellierenden Engel’ nicht bekommen, das den Kampf zwischen dem Guten und dem Bösen darstellt – ein Meisterwerk.“

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Materialanalysen

Die Schau der Superlative im KHM wurde erst möglich durch sechs Jahre dauernde intensive wissenschaftliche Untersuchungen zu Material, Inhalt und Erhaltung der Werke Bruegels, u. a. finanziert von der Getty Panel Paintings Initiative.

Die technischen Analysen der Tafelbilder machen den kreativen Malprozess transparent. In der Restaurierwerkstätte der Gemäldegalerie des KHM wurden u.a. Röntgen-, Infrarot und 3D-Aufnahmen sowie Pigmentanalysen durchgeführt.

Sie zeigten unter den Malschichten Zeichnungen, die noch kaum erforscht sind. Die jüngsten Ergebnisse dieser Forschungsarbeiten fließen in die Ausstellung und den Katalog ein.

Außerdem gibt die Website www.insidebruegel.net tiefere Einblicke in die Werke Bruegels auf Basis der jüngsten technologischen Untersuchungen bis in kleinste Details.

„Wir wollen zeigen, wie Bruegel gearbeitet hat, was nur durch umfassende Restaurierungen und durch umfangreiche internationale Forschung möglich ist“, so Haag. „Die Ergebnisse wollen wir nun mit der Welt teilen.“

Einen Teil der Erkenntnisse stellen die Kunsthistoriker Sabine van Sprang und Tine Meganck im Band „Bruegels Winterlandschaften“ vor – und geben dabei Einblicke ins alltägliche Leben des 16. Jahrhunderts.

Historiker und Kunsthistoriker im Dialog beschäftigen sich u.a. mit der Frage: In welchem Umfang reflektiert Bruegel in den Winterdarstellungen das reale Leben in der kleinen Eiszeit Mitte des 16. Jahrhunderts?

Wollte er Alltagssituationen wiedergeben? Wie beschreibt er die Not der Bevölkerung, die unter den strengen Wintern sehr leiden musste?

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Erlebnispark

Auch Belgien feiert Bruegel 2019 mit einer Reihe von Ausstellungen: Als einen der spannendsten Orte, die man (von April bis Oktober) besuchen kann, bezeichnete kürzlich das Time-Magazin das 60 Autominuten östlich von Brüssel gelegene Freilichtmuseum Bokrijk, ein ehemaliges Landgut, heute als Freizeitpark genützt.

Hier wird im nächsten Jahr auf dem 100 Hektar großen Areal mit 120 historischen Gebäuden und Objekten „Bruegels Welt“ zum Leben erweckt. Hier kann man zwischen Bauernhöfen mit Ziegen und Schafen sehen, hören, fühlen, schmecken und riechen, wie man in der Renaissance-Zeit gelebt hat. Hier kann man Handwerkskunst, Brot oder Spiele von einst kennenlernen. Wie auf Bruegels Bildern dargestellt.

Seine Werke sind voller kritischer Anspielungen, Humor, Symbolen und versteckter Geschichten. In den sogenannten „Wimmelbildern“ wie „Kampf zwischen Fasching und Fasten“ ist viele Details zu entdecken, die uns noch heute etwas zu sagen haben.

Der Kurator Sellink bewundert vor allem Bruegels oft dramatischen und lebhaften Bildkompositionen und meint: „Würde er heute leben, wäre er einer der besten Filmemacher der Welt.“

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