"Jacques – Entdecker der Ozeane": Der mit den Haien schwamm

Familie Cousteau unter Wasser: Mit Lambert Wilson als Cousteau und Audrey Tautou als seine Frau
Der Franzose Jérôme Salle verfilmte das Leben des berühmten Meeresforschers Jacques Cousteau.

Für Hans Hass, den österreichischen Pionier der Meeresforschung, war er der Konkurrent, der ihn immer in den Schatten stellte: Der Franzose Jacques Cousteau, der mit seiner Kamera unbekannte Unterwasserwelten erforschte und mit seinen Filmen weltweit Furore machte.

"Für Cousteau gab es nur Cousteau", soll Hans Hass einmal angemerkt haben: " Er hat immer so getan, als wäre er der erste Tiefseetaucher und Unterwasserfilmemacher gewesen."

Tatsächlich beeindruckte Jacques Cousteau ein globales (Fernseh-)publikum mit atemberaubenden Unterwasseraufnahmen von Haifischen und den Tierwelten der Antarktis. Mit einer roten Wollmütze am Kopf – seinem Markenzeichen – fuhr er auf der "Calypso" um die Welt. Später in seiner Karriere trat Cousteau als engagierten Ozeanschützer auf.

Regisseur Jérôme Salle ("Zulu") verfilmte das Leben der französischen National-Ikone zu dem gediegenem Biopic "Jacques – Entdecker der Ozeane" (Kinostart: Freitag, 16.12.2016) und konzentrierte sich dabei auf dessen schwieriges Verhältnis zu seinem Sohn Philippe (Pierre Niney). Der Franzose Lambert Wilson übernahm die Rolle des Jacques Cousteau.

Ein Gespräch mit Jérôme Salle über Haie, Hans Hass und Cousteaus Macht der Verführung.

KURIER: Stammt Ihre Faszination für Jacques Cousteau noch aus Ihrer Kindheit?

Jérôme Salle: Ich bin in Südfrankreich aufgewachsen und verbrachte alle meine Ferien auf einem Segelboot. Jacques Cousteau war mein Held. Als Zehnjähriger habe ich alle seine Filme gesehen.

Was hat Sie so beeindruckt– die Unterwasseraufnahmen?

Ehrlich gesagt, die Unterwasseraufnahmen fand ich streckenweise sogar ziemlich langweilig. Nein, es war eher das Gefühl von Abenteuer, das Cousteau in seinen Filmen vermittelte: Er bestieg das Schiff und erforschte die Welt. Dieses Leben sah so toll aus – wie ein Traum.

Cousteaus Markenzeichen war die rote Wollmütze.

Ja, und er verwendete in seinen Filmen ganz einfache, leicht wieder zu erkennende Farben: Rote Wollmütze, das weiße Schiff, das gelbe Unterseebot. Alles klare, einfache Bilder – ähnlich der Comicserie "Tim und Struppi".

Jacques Cousteau stand in Konkurrenz zu dem österreichischen Tiefseetaucher Hans Hass. Haben Sie sich mit deren Verhältnis beschäftigt?

"Jacques – Entdecker der Ozeane": Der mit den Haien schwamm
French film director and producer Jerome Salle poses during a photocall after the screening on his film "L'Odysee" (The Odyssey) at the 64th San Sebastian Film Festival, in the northern Spanish Basque city of San Sebastian on September 24, 2016 / AFP PHOTO / Eli Gorostegi
Ja, das habe ich. Als ich darüber nachdachte, aus welcher Perspektive ich die Lebensgeschichte Cousteaus erzählen könnte, kam mir der Gedanke, sie als Konkurrenz-Geschichte dieser zwei Paare zu erzählen: Jacques und Simone Cousteau versus Hans und Lotte Hass. Das Beste daran wäre gewesen, dass Hans und Lotte einfach so unglaublich gut aussahen, während Jacques und seine Frau eher ... naja ... mittelmäßig schön waren. Quasi die hässlichen Franzosen... (lacht schallend). Schließlich bin ich davon abgekommen, weil sich die Lebenswege der beiden nicht so oft überkreuzt haben.

Im Abspann des Films betonen Sie, wie viel Recherche Sie für den Film betrieben haben...

Ja, ich habe Unmengen an Literatur gelesen und mit sehr vielen Menschen gesprochen, die ihn kannten. Es hat Jahre gedauert, bis ich verstanden habe, wer Cousteau wirklich war: Einerseits war er nämlich ausgesprochen narzisstisch und wollte immer sein Gesicht in die Kamera halten. Gleichzeitig hat er sein Image penibel kontrolliert und wusste genau, was er von sich herzeigen wollte. Aber der innere Kern von ihm war schwer zu ergründen.

Und was haben Sie für eine Entdeckung gemacht?

Ich empfand es als größte Überraschung, dass er so ein Verführer, ein Womanizer war. Als Kind kam er mir immer wie ein Großvater vor. Aber er ist so eine komplexe Figur: Es gibt Menschen, die ihn kannten und liebten, und dann wieder solche, die ihn gar nicht mochten. Er konnte unglaublich selbstsüchtig und hart sein.

Er war ja auch ein Verbündeter der Ölindustrie, ehe er sich für den Umweltschutz engagierte.

Ja, er war ein Mann des letzten Jahrhunderts. Anhand seiner Person lässt sich das Verhältnis der Menschen zu ihrer Umwelt ablesen. Lange Zeit ging es nur darum, sie total zu beherrschen. Erst in den 1960er-Jahren entwickelte sich so etwas wie ein Umweltbewusstsein.

Man legte Cousteau nahe, seine Doku "Die schweigende Welt" (1956), die er mit Louis Malle drehte und für die er einen Oscar und eine Goldene Palme gewonnen hatte, später umzuschneiden.

Ja, in dieser Doku gibt es grausame Szenen, in denen Haie gekillt werden oder Menschen auf Schildkröten herum turnen. Das war alles andere als politisch korrekt, aber normal in den 1950er- Jahren. Doch Cousteau bestand darauf, diese Szenen zu belassen, um zu zeigen, welches Bewusstsein die Menschen damals hatten. In dieser Hinsicht war er sehr ehrlich, und dafür liebe ich ihn. Er war ein großer Verführer, aber nicht um jeden Preis.

Apropos Haie: Wie schwierig bzw. gefährlich waren Ihre Unterwasserszenen?

Es hat uns Monate gekostet, die Unterwasserszenen vorzubereiten. Ich wollte nämlich mit der gleichen Kamera drehen, die ich auch an Land verwendete. Aber die Haie waren nicht gefährlich, obwohl ich mich beim ersten Mal gefürchtet habe – denn natürlich habe ich als Kind auch "Der weiße Hai" gesehen. Doch tatsächlich werden Millionen von Haien pro Jahr von Menschen getötet, während weniger als zehn Menschen pro Jahr durch einen Hai sterben. Die Haie müssen sich vor den Menschen fürchten, nicht umgekehrt.

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