Vom Überleben in der Sonne

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Jacques Audiard über sein "Trash-Melo" "Der Geschmack von Rost und Knochen", in dem Marion Cotillard ihre Beine verliert.

Der Geschmack von Rost und Knochen“ – „das ist der Geschmack, den man hat, wenn man einen Schlag in die Fresse bekommen hat“, sagt Jacques Audiard beim KURIER-Interview in Berlin: „Der Geschmack von Blut.“

Jacques Audiard, französischer Filmemacher und Dandy, trägt senfgelbe Socken zu braunen Wildlederschuhen, ein eng geschnittenes Wams und ein buntes Seidenhalstuch. Meist behält er seine Sonnenbrille auf und raucht dazu bedächtig Pfeife. Audiard reüssierte zuletzt mit seinem Gefängnisthriller „Un Prophète“ – „und danach hatte ich große Lust, eine Geschichte zu verfilmen, wo Liebe eine Rolle spielt und auch Frauen vorkommen.“

Vom Überleben in der Sonne
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Mit „Der Geschmack von Rost und Knochen“ – seinem „Trash-Melo“ – verfilmte er Motive aus Kurzgeschichten von Craig Davidson und verpflanzte sie ins traurige Hinterland von Cannes: „Charles Aznavour hat von der Armut unter der Sonne gesungen“, erzählt Audiard: „Mir war es wichtig, die Geschichte vorm Hintergrund der Wirtschaftskrise zu erzählen: von Menschen, die nicht viel Geld haben, in der Sonne überleben, deswegen aber nicht unbedingt unglücklich sind.“

Amputation

Die Geschichte – das ist ein saftiges, effektvolles Melodram mit starker Verankerung im Sozialrealismus. Die schöne Marion Cotillard arbeitet als Trainerin von Killerwalen und verliert bei einem Unfall beide Beine. Erst durch einen Bodyguard (genial: Matthias Schoenaerts), der sich mit Boxkämpfen über Wasser hält, findet sie ins Leben zurück. Er nimmt an ihren Beinstümpfen keinen Anstoß und beginnt mit ihr eine leidenschaftliche Beziehung.

„Bei einem Film über Liebe habe ich immer ein Problem“, sagt Audiard fröhlich zum Thema Amputation und Erotik: „Man sieht einen Mann und eine Frau, die Sex haben. Aber diese Freude am Sex hat für mich auf der Leinwand nie funktioniert, weil mir immer klar war: Das sind Schauspieler, die Lust nur vortäuschen.“

Durch die amputierten Beine aber konnte er dieses Problem umgehen: „Ich musste mich nicht auf die Gesichter konzentrieren, sondern konnte auf die Beine filmen – und das hat in der Tat eine erotische Dimension.“

Als Vorbilder fasste er Tod Brownings Klassiker „Freaks“ ins Auge: „Der Aspekt der Zirkuswelt – bei der Killerwal-Show oder beim Boxkampf – war mir wichtig: Beides ist arte povera, billige Kunst.“

"Der Geschmack von Rost und Kno{C}{C}chen": F/B 2012. 120 Min. Von Jacques Audiard. Mit Marion Cotillard.

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