Ist das echt, oder kann das weg?

Hier spaziert ein Protagonist durch digital gebaute Realitäten. Ist das noch Wirklichkeit?
Die Doku "Wie wirklich ist die Wirklichkeit " zeigt erstaunliche neue Realitäten.

Das Thema könnte aktueller nicht sein: Im Internet bilden sich zunehmend Glaubensblasen, die in erbittertem Widerspruch zueinander stehen – Dialog unmöglich. Der Publizist und Dokumentarfilmer Kurt Langbein hat sich in der Doku "Wie wirklich ist die Wirklichkeit" (morgen, Dienstag, 22.35 Uhr, ORF2) mit dem Thema der Realitätskonstruktion auseinandergesetzt. Er fördert mit kompetenten Gesprächspartnern Erstaunliches zum aktuellen Stand der Forschung zutage. Die wichtigste Erkenntnis vorweg: Wir konstruieren Realitäten immer anhand unseres Umfelds. In Gruppen fühlt und denkt es sich besser im Gleichklang (das kann jeder gerne an seinem persönlichen Facebook-Profil abgleichen).

Und: Auch vermeintliches Wissen hat eine stoffliche Reaktion zur Folge. Eine Probandin, die glaubt, reinen Sauerstoff zu atmen, zeigt im Gehirn dieselben Vorgänge wie jener Versuchsteilnehmer, bei dem das wirklich der Fall ist. Glauben kann Berge versetzen – mindestens im eigenen Körper.

Quanten? Wie?

Interessant wird es dann, wenn die wissenschaftlichen Gewissheiten Schritt für Schritt aus den Fugen geraten: Die Forschung zur Quantenphysik, von der selbst Experten sagen, dass sie eigentlich niemand wirklich kapiert, weil ihre Gesetzmäßigkeiten derart schräg sind, setzt alles außer Kraft, was wir von unserer Welt zu wissen glauben. In den Experimenten der Quantenphysik entsteht Realität erst durch Messung. Zudem sind Teilchen über große Distanz auf unvorstellbare Art verbunden. Kann man aus sich heraustreten? Laut Quantenphysik: Ja. Aber auch laut Einbildung. Eine Maschine, die Langbein zeigt, simuliert die eigenen Handbewegungen mit Berührungen am Rücken. Was macht unser Geist damit? Er reagiert erwartbar über und konstruiert eine neue Person.

Es ist sehenswert, wie sich der Filmemacher all unserer Gewissheiten annimmt, um sie kompetent zu dekonstruieren. Schließlich leben wir in bekannt volatilen Zeiten, in denen Sicherheit und Gewissheit Worte sind, an die sich frühere Generationen anlehnen konnten.

Einzig schade ist, dass der ORF die Doku so spät zeigt: Halb elf ist alles andere als Primetime. Aber es lohnt sich definitiv, so lange aufzubleiben. Am Mittwoch wird sie übrigens um 20.15 Uhr auf ORFIII wiederholt.

Kommentare