Interview mit Rocco Siffredi: Macho-Mann mit weiblichem Gehirn
Rocco Siffredi kennt (fast) jeder. Der „italienische Hengst“ gilt als Ikone der Pornoindustrie. Siffredi, der sich nach dem Gangster von Alain Delon in dem Film „Borsalino“ benannte, besitzt eine überlieferte Werkzeuglänge von 24 cm und stand in den letzten vierzig Jahren für rund 1400 Hardcore-Pornofilme vor der Kamera. Mittlerweile lebt der 59-jährige Darsteller, Produzent und Regisseur mit Ex-Kollegin und Ehefrau Rosa in Ungarn und ist Vater zweier Söhne.
Seine Leidenschaft für das Geschäft mit Sex entdeckte Rocco Siffredi – damals noch Rocco Tano – bereits als verarmter Bub in der italienischen Provinz. Zufällig fällt ihm das Porno-Comic-Heft „Supersex“ in die Hände, dessen Held mit einer einschlägigen Superpower ausgestattet ist. Seitdem träumt Rocco davon, mit Geschlechtsverkehr Geld zu verdienen – ein Wunsch, der fulminant, aber mit psychologischen Beschädigungen in Erfüllung ging.
So erzählt es zumindest die siebenteilige, italienische Mini-Serie „Supersex“ (abrufbar auf Netflix): Von Roccos schwieriger Kindheit hin zum Jahr 2004, wo der umjubelte Pornostar medienwirksam seinen Rückzug aus der Pornoindustrie ankündigte (aber nicht einhielt), rekonstruiert „Supersex“ Siffredis Karriere zwischen Sex, katholischer Kirche und Abgrund.
Auskunftsfreudig
Die Serie basiere lose auf Siffredis Leben, heißt es im Vorspann – aber wie viel Wahrheit steckt wirklich dahinter?
Um Fragen wie diese zu beantworten, ist Rocco Siffredi persönlich nach Berlin gereist, wo auf der Berlinale die Premiere der Netflix-Serie gefeiert wurde. Schlicht gekleidet und auf den ersten Blick fast unauffällig, erweist sich Siffredi als ausgesprochen eloquent und auskunftsfreudig. Aus seinem Herzen macht er keine Mördergrube: „Fast alles in der Serie entspricht meinem Leben“, erklärt er treuherzig im KURIER-Gespräch: „Aber die Showrunnerin Francesca Manieri und ich haben beschlossen, vor allem unbekannte Dinge zu erzählen, wie Erlebnisse aus meiner Kindheit und Jugend. Die sexuellen, beruflichen Dinge finden sich ohnehin alle im Internet.“
Nach sieben Stunden Serien-Autobiografie habe er zum ersten Mal auch seine eigene Persönlichkeit besser verstanden, fügt er in glasklarem Italo-Englisch hinzu: Francesca Manieri sei in ihrer Personenanalyse tiefer eingedrungen als er selbst in seinen Filmen. Haha.
Rocco Siffredi genierte sich nie für seine schauspielerischen Tätigkeiten, die ihm innerhalb der Sexindustrie die höchsten Auszeichnungen – vergleichbar mit den Oscars – einbrachten. Schwieriger schon war es, die Zustimmung seiner katholischen Familienmitglieder zu erhalten: „Zuerst waren sie natürlich dagegen“, so Siffredi freimütig, „aber nach ungefähr einem Jahr haben sich alle wieder beruhigt. Die Enttäuschung meiner Brüder über meine Berufswahl verschwand, als sie merkten, dass neue Gäste in ihr Restaurant strömten, weil dort mein Bild an der Wand hing.“
Die einzige Sache, die er in seinem Beruf je als Schwierigkeit empfunden habe, war es, Beruf und Privatleben unter einen Hut zu bringen: „Wann immer ich je Zweifel oder Schuldgefühle hatte, dann nur meiner Frau und meinen Kindern gegenüber.“ Aber die stehen unverbrüchlich an seiner Seite.
Schwieriger schon erwies sich die Akzeptanz innerhalb der Gesellschaft: „In der Pornobranche zu arbeiten, ist nach wie vor ein Tabu.“
Arthouse-Porno
Einen Karriereumschwung erlebte Siffredi 1999, als ihm die Französin Catherine Breillat für ihren Film „Romance“ eine Rolle anbot. Der Porno-Darsteller, der im Arthouse-Kino echten Sex lieferte, erwies sich als wohliger Aufreger, der Film erschloss ihm ein neues Publikumssegment.
Siffredi muss jetzt noch grinsen, wenn er daran denkt. In diesem Zusammenhang fällt ihm gleich seine Lieblingsanekdote über eine New Yorker Journalistin ein, die ihn interviewen und sich auf das Gespräch mit dem ihr völlig unbekannten Schauspieler vorbereiteten wollte. Unschuldig stolperte sie in eine Videothek – und bekam einen Stapel Pornos ausgehändigt.
„Sie hat sich alle Filme angeschaut“, strahlt Siffredi: „Und dann hat sie zu mir gesagt: ,An der Art und Weise, wie Sie Sex haben, kann ich erkennen, dass Sie ein weibliches Gehirn haben.’ Ich, der ich als einer der größten Macho-Männer gelte, habe feminine Anteile! Das war für mich das größte Kompliment, das ich je erhalten habe.“
Rocco Siffredi
Der „italienische Hengst“, Jahrgang 1964, gilt als der berühmteste männliche Porno-Darsteller. Heute lebt er mit seiner Ex-Kollegin und Ehefrau Rosa in Budapest und hat zwei Söhne.
Supersex
„Supersex“ ist eine Miniserie auf Netflix. Erzählt wird Roccos Karriere – von seiner Kindheit bis zum Jahr 2004. Alessandro Borghi verkörpert Siffredi und sieht im verblüffend ähnlich.
24 Zentimeter
Rocco Siffredis Penislänge beträgt 24 cm. Er wirkte in rund 1.400 Hardcore-Pornos mit. Einer seiner bekanntesten Filme ist „The Fashionistas“ von John Stagliano.
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