In Hitlers Badewanne: die Banalität des Bösen

Hitlers Wanne: Auf den Rand stellte Miller jenes Porträt Hitlers, das in vielen Haushalten stand. Die US-Army-stiefel davor symbolisieren Hitlers
Die Albertina widmet Lee Miller, Fotokünstlerin und Kriegsreporterin, eine Werkschau.

Die Worte Model und Muse wirken absurd angesichts dessen, was Lee Miller, eine der vielseitigsten Künstlerinnen des 20 Jahrhunderts, geleistet hat. Als surrealistische Gestalterin inszenierte sie sich auf den Fotografien ihres ungleich berühmteren Gefährten Man Ray. Wem der künstlerische Beifall dafür gebührt, ist schwer zu sagen. Bekannt wurde der, der den Auslöser betätigte. Lee wechselte hinter die Kamera.

Die Albertina widmet der Künstlerin, Modefotografin und Kriegsreporterin Lee Miller nun eine umfassende Werkschau, die der Vielseitigkeit der 1907 in New York geborenen und 1977 in Sussex, England, verstorbenen Amerikanerin Rechnung trägt. Bekannt ist Miller heute vor allem für ihr Porträt in Hitlers Badewanne, den Auslöser betätigte just wieder ein anderer, der Life-Fotograf David. E. Schermann. Die Bilder, mit denen sie sich 1945 in Hitlers Wohnung inszenierte, sind erklärungsbedürftig und in einem größeren Kontext zu sehen. Vor die Badewanne stellte Miller US-Armee-Stiefel, das Porträt des toten Hitler musste vom Rand der Badewanne "zuschauen".

Bilder der Ausstellung

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Lee Miller Brandschutzmasken, London, England, 19…
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Lee Miller Irmgard Seefried, Opernsängerin, singt…
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Man Ray Porträt von Lee Miller, Paris, Frankreich…
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Man Ray and Lee Miller Hals (Lee Miller), Paris, …
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Lee Miller with David E. Scherman Lee Miller in H…
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Lee Miller Ein toter SS-Wachmann treibt im Kanal,…

Eva Brauns Make-up

Auf anderen Aufnahmen sieht man US-Offiziere auf Hitlers Bett liegend "Mein Kampf" lesen oder russische Flüchtlinge Eva Brauns Make-up probieren. Es ist die "Banalität des Bösen", die Miller damit unterstreicht. Auch ein Massenmörder wie Hitler nahm sein Bad in einer schnöden, gekachelten Wanne – den Alltag des für viele charismatischen Diktators zu zeigen, ist die Dekonstruktion des Hitler-Mythos schlechthin. Ende April 1945 war Miller als Reporterin in das zerbombte München gekommen. Sie wohnte in Hitlers Privatwohnung, als sein Tod bekannt gegeben wurde. Die Fotos der damals 38-Jährigen gelten als wegweisend für spätere Kriegsreportagen: Auch in den Palästen Gaddafis oder Husseins wurde die Privatheit von Diktatoren dokumentiert, doch längst nicht so reflektiert wie in Millers Arbeiten.

Auch Millers Bilder der Kriegsversehrten hinterlassen starken Eindruck. Jene der Befreiten und jene der Toten. Miller fotografierte die Leichenberge im KZ Buchenwald und die entgeisterten Blicke der US-Soldaten, denen das Grauen ins Gesicht geschrieben steht. Ihre letzten Bilder zeigen das zerbombte Wien. Miller, die danach noch dreißig Jahre lebte, fotografierte nie wieder. Sie hatte nach den Trümmerfotos künstlerisch nichts mehr zu sagen, wie sie in einem Brief schrieb. Der Krieg hatte sie sprachlos gemacht.

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