Immer weniger Worte, die immer mehr sagen

epa02444063 Israeli writer, novelist and journalist Amos Oz, who is also a professor of literature at Ben-Gurion University in Be'er Sheva, poses for a photograph during a break of the 'lectio magistralis' for 2,000 students at the Teatro Regio in Turin, Italy on 12 November 2010. EPA/TONINO DI MARCO
"Unter Freunden": Erzählungen aus dem Kibbuz von Amos Oz.

Es ist dieses zärtliche Gefühl. So karg können seine neuen acht Geschichten gar nicht geschrieben sein, dass unbemerkt bleibt: Amos Oz mag „seine“ Menschen und nimmt sie (durchaus mit etwas Unwohlsein), wie sie eben sind.
Er mag gewissermaßen uns. Denn auch wenn „Unter Freunden“ in den späten 1950er-Jahren im fiktiven Kibbuz Jikhat spielt: Das sind wir, die sich ungern berühren lassen, aber von Umarmung träumen; und das ist meine geliebte Gummiente, die mir weggenommen und weggeworfen wird; und das ist deine Tochter, die – kaum ist sie mit der Schule fertig – zu einem Mann zieht, der ihr Vater sein könnte und ihrer garantiert bald überdrüssig wird ...

Ausnahmsweise

Das ist es, was den großen israelischen Schriftsteller (und Friedensaktivisten) ausmacht: nicht viele Worte machen, von Mal zu Mal weniger eigentlich, und trotzdem immer mehr über Menschen mitteilen.
Jetzt kann man freilich mühelos aus den Erzählungen das Scheitern des Kibbuz-Systems herauslesen. Aber Amos Oz fällt auch darüber im Buch kein Urteil.

Immer weniger Worte, die immer mehr sagen
Er schreibt z. B. bloß vom 16-jährigen Mosche, der in die Stadt fahren will, ins Krankenhaus, weil dort sein Vater im Sterben liegt (und die Mutter bereits tot ist); und nur ausnahmsweise bekommt er dafür die Genehmigung.
Denn eigentlich ist man mit der Fahrt zu Verwandten gar nicht einverstanden, weil der Besuch – wie es heißt – Mosche vom Kibbuz entferne. Aber gut, nach der Arbeitsschicht im Hühnerstall darf er fahren.
Nur unter der Bedingung, er möge im Spital demonstrieren, „dass du schon einer von uns bist ...“

Man darf annehmen, dass in diesem Mosche sehr viel Amos Oz steckt. Denn der trat als 15-Jähriger, nach dem Selbstmord seiner Mutter, selbst dem Kibbuz Chulda bei. Dort erst, er hieß Klausner, nahm er den Namen „Oz“ (Kraft) an und blieb, mit Unterbrechungen, bis 1986.
Den kleinen Dramen zwischen Erwachsenen lauschend.
Und dem Weinen aus dem Kinderhaus, denn Kinder durften nicht in den Wohnungen der Eltern schlafen (und manche Eltern kamen nachts, um nachzuschauen, ob sie gut zugedeckt sind).
„Unter Freunden“ schlägt beim Leser Wurzeln. Auch sind die Geschichten aufs Schönste miteinander verwurzelt: Die Kibbuz-Bewohner entwickeln sich gleichsam in den Erzählpausen weiter, wechseln von der Hauptperson zur Nebenfigur – niemals jedoch werden sie zur bloßen Staffage.

Dafür sind sie zu wertvoll.

KURIER-Wertung: ***** von *****

Info: Amos Oz: „Unter Freunden“ Übersetzt von Mirijam Pressler. Suhrkamp Verlag .215 Seiten. 19,50 Euro.

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