"Ich würde es nicht wagen, ihn anzusprechen"

Pierre-Laurent Aimard: „Für Bach braucht man eine gewisse Reife“
Der französische Pianist Pierre-Laurent Aimard gastiert bei den Salzburger Festspielen mit Bach.

Wenn PierreLaurent Aimard am Montag im Mozarteum in die Tasten greift, dann erleben Pianist wie Publikum eine echte Weltpremiere. Erstmals interpretiert der 56-jährige Klaviervirtuose "Das wohltemperierte Klavier" von Johann Sebastian Bach in der Öffentlichkeit. Zumindest das erste Buch dieses als das "Alte Testament" der Musikgeschichte bezeichneten Meisterwerks.

Und Aimard gibt sich im Vorfeld bescheiden: "Ich erlaube mir, mich an diesem Monolith zu versuchen und hoffe, dass es gut geht."

Doch warum hat Aimard, dessen Name vor allem für zeitgenössische Musik steht, ausgerechnet mit Bach solange gewartet? "Für jeden Klavierspieler ist Bach in der Ausbildung das tägliche Brot. Aber zwischen einer technisch sauberen Wiedergabe und einer echten Interpretation liegen Welten. Ich finde, man sollte Bach erst spielen, wenn man eine gewisse Reife hat. Ich bin jetzt über 50, das ist ein guter Zeitpunkt."

Echter Avantgardist

Was aber reizt den gebürtigen Franzosen an der Musik Bachs? "Diese Reinheit, diese Klarheit, das Wandeln durch alle Tonarten – Bach war zu seiner Zeit ein echter Avantgardist." Auch auf CD hat Aimard dieses erste Buch des "wohltemperierten Klaviers" eingespielt. Kommt der zweite Teil auch? Aimard: "Ich habe mir für Bach eine Auszeit von sieben Monaten genommen. Jetzt warten wir einmal ab, ob meine Bach-Versuche für mich und die Zuhörer zufriedenstellend sind, dann sehen wir weiter. Eines aber ist klar: Ich werde mich immer der zeitgenössischen Musik sehr nahe fühlen."

Aimard weiter: "Ich denke, als Interpret, als Künstler hat man auch eine gesellschaftliche, eine soziale Verpflichtung. Man sollte dafür sorgen, dass es in der Musikgeschichte weitergeht, dass auch Neues entstehen kann." Daher wird Aimard sich demnächst auch wieder den Klavierstücken eines Karlheinz Stockhausen oder eines Marco Stroppa widmen.

Ist es spannender für einen Interpreten, sich mit lebenden Komponisten auseinanderzusetzen? "Man hat die große Chance, auch Fragen zu stellen und miteinander etwas zu entwickeln. Bei Klassikern ist man auf historische Berichte, auf die Musikwissenschaft und die eigene Intuition angewiesen. Beides hat Vor-und Nachteile."

Doch was würde Aimard denn Bach fragen, wenn er das könnte? Lachend: "Ich würde es wohl nicht wagen, ihn anzusprechen. Ich würde mich in der hintersten Ecke einer Kirche verstecken und ihm nur zuhören. Aber in einer Ecke mit guter Akustik, versteht sich." www.pierrelaurentaimard.com

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