"Ich bin ein Freak"
Wer er war, ist schwer zu sagen. Ein Fabulierer, vielleicht ein Lügner, eine Klatschbörse, ein einsamer kleiner Mann. Ein White-Trash Bub aus dem Süden, der zum schillernden, selbstzerstörerischen Dandy wurde, der als Schriftsteller begabter denn als Mensch war.
Versoffen
Vor dreißig Jahren, am 25. August 1984, starb Truman Capote in Los Angeles im Haus einer Freundin. Allein, versoffen, vollgepumpt mit Medikamenten. Seine Asche zumindest wurde später gemeinsam mit der seines langjährigen Lebensgefährten Jack Dunphy verstreut. Auch das ein Paradoxon: Capote, der schillernde, homosexuelle Partylöwe, der sein Leben lang dem stillen, unglamourösen Jack verbunden war.
Plimpton, Schriftsteller und Journalist, mischt darin Originaltöne von Freunden, Feinden, Kollegen, Nachbarn, Bewunderern zu einer Collage über das Leben Truman Capotes. Von Lauren Bacall bis Kurt Vonnegut. Intensiv, eindringlich und stellenweise etwas geschwätzig erzählt der Hundert-Stimmen-Reigen den Weg des winzigen Südstaaten-Buben zum Schoßhund der Society, der seine physischen Unzulänglichkeiten – Quäkstimme, seltsamer Körperbau – zu seinen Accessoires machte und in Romane einbaute: Barkeeper Joe Bell aus Frühstück bei Tiffany hat eine "quäkendene, froschähnliche Stimme".
Das Partyleben war Mittel zum Zweck: Wo sonst sollte er Figuren wie Madame Sapphia Spanella, eine "robuste Koloratursängerin, die jeden Nachmittag im Central Park Rollschuh lief" ("Frühstück bei Tiffany") finden?
Doch scheint der Drang zur Upperclass in der Familie gelegen zu haben. Schon Trumans Mutter Lillie Mae oder Nina, wie sie sich später nannte, verließ den Süden, um Teil der glamourösen Gesellschaft werden. Truman blieb zunächst in New Orleans, wo er mit Harper Lee ("Wer die Nachtigall stört") eng befreundet war – sie begleitete ihn später nach Kansas, um ihm bei der Recherche zu "Kaltblütig" zu unterstützen.
Schon mit 14 wusste Truman, dass er schreiben wollte. Und er arbeitete ebenso diszipliniert am literarischen wie am Society-Aufstieg. Fleiß, Chuzpe und ein Job als Boten-Junge beim New Yorker brachten ihn auf den Weg.
Beichtvater
Capote lästerte viel (Jack Kerouac nannte er "Tippse"), prahlte (er habe Humphrey Bogart im Armdrücken besiegt) und erfand absurde Bettgeschichten, etwa über sich und Albert Camus (in Donald Windhams anekdotenreichem Erinnerungsbuch "Verlorene Freunde", das rund um Capotes 90. Geburtstag am 30. 9. erscheint).
Capote war ein Getriebener, fühlte sich verpflichtet, mit guten Storys zu unterhalten. War Hofnarr der Reichen, sonnte sich im Ruhm, tapezierte sein Haus mit Zeitungsartikeln über sich. Gleichzeitig wusste er, wie schnell es vorbei sein würde. In seinem berühmten Marilyn Monroe-Porträt schreibt er: "Warum muss eigentlich alles immer so ausgehen? Warum ist das Leben so unglaublich beschissen?"
Zur Person: Roman und Reportage
Truman Capote (*30. September 1924, New Orleans, 25. August 1984, Bel Air, Los Angeles). Sein Debüt „Andere Stimmen, andere Räume“ machte ihn mit 23 zum literarischen Wunderkind. 1958 wurde „Frühstück bei Tiffany“ zum Welterfolg. Der Dokumentarroman „Kaltblütig“ über einen Vierfachmord in Kansas beschäftigte Capote sechs Jahre, wurde 1966 zum Bestseller und begründete einen neuen Reportagestil.
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