Wie Netflix "Hundert Jahre Einsamkeit" gegen Gabriel García Márquez' Wunsch umsetzt

Wie Netflix "Hundert Jahre Einsamkeit" gegen Gabriel García Márquez' Wunsch umsetzt
Die teuerste lateinamerikansiche Netflixproduktion: Der Klassiker des "Magischen Realismus" „Hundert Jahre Einsamkeit“ als opulente Serie, eine zweite Staffel folgt im kommenden Jahr.

Diese Serie sollte es gar nicht geben. Also wenn es nach dem Mann ginge, der das Buch, auf dem sie basiert, geschrieben hat. Gabriel García Márquez hat sich zeit seines Lebens dagegen gewehrt, dass sein Roman „Hundert Jahre Einsamkeit“ auf bewegte Bilder gebannt wird. Doch er ist seit zehn Jahren tot und seine Söhne haben eine recht legere Vorstellung vom Umgang mit seinem Nachlass. Im Frühjahr veröffentlichten sie gar einen Roman, den „Gabo“ lieber vernichtet gesehen hätte. Zumal er den Text geschrieben hatte, als er bereits an Demenz litt.

Kolumbianischer Mikrokosmos

Nun ist also diese Woche die achtteilige Serie „Hundert Jahre Einsamkeit“ auf Netflix gestartet, die erste von zwei bestellten Staffeln. Es ist die teuerste lateinamerikanische Produktion des Streamers und man sieht es ihr auch an: ein opulentes Tableau aus Macondo, dieser aus der Not neugegründeten Stadt, diesem kolumbianischen historischen Mikrokosmos, in dem das Schicksal der Familie Buendía über eben jene 100 Jahre seinen Lauf nimmt. Das passt zur schieren Wucht des weltberühmten (30 Millionen Mal verkauften) Romans, der für die spanischsprachige Literatur von großer Bedeutung ist. Das Serienformat eignet sich natürlich gut für die ausufernde Erzählung mit ihren vielen Personen, die sehr oft auch noch denselben Namen tragen. Angefangen vom Stammhalter José Arcadio Buendía.

Grundstein des "Magischen Realismus"

Es ist alles sehr sinnlich bis sexuell, die Frauen werden in ein – soweit möglich – zeitgemäß prominentes Licht gesetzt, die Brutalität des Krieges löst die Intimität der Familiensaga-Perspektive in der zweiten Hälfte blutig ab. Aber bei der Verfilmung des Grundsteins des „Magischen Realismus“ liegt das Augenmerk natürlich auch darauf: Wie poetisch wird dieses beiläufig Übersinnliche vermittelt?

Und da punktet die Netflix-Serie nicht so überzeugend. Aber man kann den Söhnen des Literaturnobelpreisträgers trotzdem verzeihen, dass sie seinen Wunsch ignoriert haben. Dass dieser Roman auch der Generation Netflix nahegebracht wird, ist schon etwas wert.

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