Im Foltergarten der gestörten Wesensart

epa01878148 A picture dated 27 September 2009 shows British writer Howard Jacobson posing for photographs during an interview on the ocassion of The Guardian Hay Festival in Segovia, Spain. EPA/JUAN MARTIN MISIS
Ein Londoner Buchhändler plant in "Liebesdienst" sein eigens Betrogenwerden.

Was ist das bloß für ein Typ! Einmal sieht er seiner Frau zu, wie sie sich beim Gemüseschneiden den Finger verletzt. „Ruf den Krankenwagen“, sagt sie seelenruhig. Und was macht er? Er wird ohnmächtig.

Dabei hatte Buchhändler Felix Quinn doch vor, frei nach Charles Bukowski, „den Lauf der Sexualgeschichte zu ändern“, als er seiner Lebensliebe Marisa begegnete. Doch er hat einsehen müssen: Dazu reicht es bei ihm einfach nicht.

„Nie würde ich den Lauf der Sexualgeschichte ändern, und nie würde ich Marisa bei ihren Schnittverletzungen am Finger helfen. Immer würde ich zu schwach sein.“

Howard Jacobson, 1942 in Manchester geboren, wurde für seinen tragisch-komischen Roman „Die Finkler Frage“ 2010 mit dem Booker-Preis ausgezeichnet. In „Liebesdienst“ beschreibt er nun – nicht weniger tragisch-komisch – einen Mann, der besessen von Eifersucht ist: von der Idee, ein anderer könnte seine Frau begehren. Als er den sadistischen Marius kennen lernt, plant Felix sein eigenes Betrogenwerden.

Fellbesatz

Alles begann mit dem kubanischen Arzt mit dem Pferdegesicht. Als er Marisa untersuchte, ließ er seine schmale Hand „mit dem zotteligen, seidigen Fellbesatz auf dem Knöchel“ einen Augenblick zu lang auf ihrer Brust ruhen, sodass sich ihre Brustwarze unter seinem Handteller versteifte. Da wusste Felix, dass er den „Foltergarten der eigenen gestörten Wesensart betreten hatte. (...) Wenn ich fortan die Wahl hätte, würde es mir lieber sein, Marisa überließ ihre Brüste einem anderen Mann als mir. Das sollte in Zukunft die Kondition, das Maß meiner Liebe für sei sein.“

Im Foltergarten der gestörten Wesensart
Jacobson zitiert reihenweise „Meisterwerke der erotischen Verzweiflung“, er erzählt eine Geschichte, die von Herodot bis Cervantes x-mal beschrieben wurde. Selbst in den Othello lässt sie sich hineininterpretieren: Ehemann, Ehefrau, Liebesprobe.

Jacobson schreibt mit verblüffender Wortwahl: Käsestücke sind „rattenfellgroß“, die Sonne scheint „höhnisch“. Wahnwitzig, streitlustig, selbstironisch.

KURIER-Wertung: ***** von *****

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