Herbert Brandl: "Es ist alles verbunden, wie ein riesiger Körper"
Seine Kunst sprengt den Rahmen, im buchstäblichen wie im übertragenen Sinn.
Im Obergeschoß des Belvedere 21, wo am kommenden Donnerstag eine Werkschau von Herbert Brandl eröffnet, reichte dem Künstler das ursprünglich geplante Format für sein neues, extra für die Schau geschaffenes Werk nicht: Insgesamt 18 Meter breit wurde die „Apokalypse zur schönen Aussicht“ – so der Titel des dreiteiligen, knapp vier Meter hohen Bilds. Für den 61-Jährigen, der zu den renommiertesten und erfolgreichsten lebenden Malern Österreichs zählt, ist es „mein Statement“, und Zeugnis einer auch körperlichen Herausforderung.
„Das Bild beruht auf der Wahrnehmung meines Gartens, der ziemlich verwildert ist“, sagt Brandl dem KURIER. „Aber im Grunde geht es mir darum, ob ein Flirren entsteht, ob es eine Harmonie gibt und ob die Pinselstriche einen Fluss kriegen und miteinander kommunizieren.“
Pinsel
Brandls energische Pinselarbeit führt damit auch über den gedanklichen Rahmen hinaus, den der Kurator Rolf H. Johannsen der Schau gegeben hat. Der Kunsthistoriker, ein Experte für das frühe 19. Jahrhundert, suchte nämlich nach Anknüpfungspunkten von Brandls Werk zur Epoche der Romantik.
Die Verbindungslinie wird nicht zum ersten Mal gezogen – griff der erklärte Naturfreund und Bergsteiger doch immer wieder das Motiv von Bergen, Aulandschaften und Wasserfällen auf.Tatsächlich sprang der Funke zwischen Maler und Kurator 2019 aber bei einer Ausstellung kleiner Ölskizzen über, die Künstler des 19. Jahrhunderts – darunter auch Adalbert Stifter und „Max und Moritz“-Erfinder Wilhelm Busch – hinterlassen hatten. Sie waren für ihre Zeit bemerkenswert abstrakt.
„Ich habe mir diese Skizzen immer gleich metergroß vorgestellt“, sagt Brandl. „Sie sind wunderbar, schnell gemalt, in so einer Einfachheit und Klarheit. Auch Gustave Moreau (1826 – 1898, Anm.) – für mich einer der größten Maler der letzten Jahrhunderte überhaupt – hatte ein systematisches Lager von Kleinformaten, auf denen nur ein paar Pinselstriche drauf waren. Diese Leute haben alle schon abstrakt gearbeitet. Mich hat immer fasziniert, dass die Historie so etwas bietet – dass man durch die Kunstgeschichte hindurch zurückblicken kann.“
Malerei statt Medien
Vor diesem Hintergrund ist es eigentlich unmöglich, Naturdarstellung und reine, sich selbst genügende Malerei als Gegensatzpaar zu sehen. Trotzdem tendierte Brandls Werk in den vergangenen zwei Jahrzehnten, über die die Belvedere-Schau Auskunft geben will, mal stärker zur Abstraktion, dann wieder zu Landschaften, Tieren oder Blumen. Dass der einstige Student von Medienkunst-Zampano Peter Weibel, der sich schon als Jugendlicher für Konzeptkunst und die daraus abgeleitete Land-Art begeistern konnte, damit oft gegen den Kunst-Zeitgeist antrat, lag auf der Hand.
„Das, was ich da mache, wurde ja auch manchmal als Kitsch gesehen oder mit Pathos verbunden“, sagt Brandl. „Ich sehe da aber kein Pathos, ich sehe nur Farben und ein Bild, ein Image, das ich entweder bewältigt habe oder nicht. Spricht es zu jemandem, sagt es etwas, kann es einen Betrachter für einen Moment zum Stoppen bringen? Mir geht es nicht um die Erhabenheit des Berges. Die Berge sind ohnehin schon gedemütigt worden.“
Brandl hat in einigen Bildern auf die Koralpe und das Bachgebiet der Schwarzen Sulm Bezug genommen. Es ist jene Region an der Grenze der Steiermark zu Kärnten, in der er aufwuchs. Seit Jahren tobt dort ein Streit um den Bau eines Speicherkraftwerks. Durch den geplanten Abbau von Lithium und die Autobahn-Durchtunnelung sei die Region überhaupt „zum Industriegebiet geworden“, wie der Künstler sagt.
Dass Brandls Bilder – in denen nie Menschen oder Zivilisationsspuren zu sehen sind – eine Gegenwelt zu der an der Kippe stehenden Natur entwerfen, folgt wohl einem romantischen Impuls: Auch im 19. Jahrhundert reagierten Künstler mit überwältigender Darstellung der Natur auf die Industrialisierung. „Ich empfinde meine Bilder aber nicht als Zeigefinger oder dergleichen“, sagt Brandl. „Ich glaube nur, dass wir Menschen in uns eine Sehnsucht nach etwas Gegebenem, Geschenktem, Natürlichem tragen.“
Für ihn selbst, sagt der Maler, stelle die leere Leinwand am Beginn des Malprozesses noch immer einen jener „weißen Flecken“ dar, von denen es in der realen Welt immer weniger zu entdecken gebe: „Beim Malen schaltet sich mein Wille irgendwann aus, und das Bild bewegt sich wie von selbst. Das ist für mich schon eine Möglichkeit, etwas auszubreiten, das irgendwie in mir wuchert.“
Osmose und Malerei
Brandls Malweise hat sich über die Jahrzehnte reduziert und konzentriert – die dicken Farbschichten der 1980er Jahre sind mehr und mehr einer Offenheit gewichen. „Je älter ich werde, desto jünger schauen meine Bilder aus. Zumindest kommt es mir so vor.“ Eine Serie, bei der der Künstler Comic-Helden und andere populäre Ikonen aus dem Gedächtnis rasch auf die Leinwand brachte, zählt zu den jüngsten Experimenten, dazu entstanden zuletzt vermehrt Bronzeplastiken.
Der tief in seiner Kenntnis der Kunstgeschichte getränkte Brandl entfernt sich dabei vom Bild des expressiven Künstlergenies. Auch die Vorstellung, dass jeder Kunstschaffende wie ein heldenhafter Ritter gegen die Masse des bisher Dagewesenen antreten und der Kunst auf Teufel-Komm-Raus etwas Neues abringen müsse, sieht Brandl mittlerweile distanziert.
„Als ich studiert habe, hat man so gedacht“, sagt er. „Irgendwann habe ich das aber beendet. Weil, wenn man ehrlich ist, macht man dann halt nichts mehr, weil ja fast alles irgendwo schon einmal da ist. Das ist ja alles miteinander verbunden wie ein riesiger Körper. Der Künstler ist nicht so eigenständig, wie er immer glaubt. Ich wundere mich, dass ich in der Kunstgeschichte auf eine gewisse Weise existiere. Ich habe keine Ahnung, wie lange das so bleibt. Künstler verschwinden auch regelmäßig sehr schnell wieder von der Bildfläche. Ich spekuliere da nicht damit.“
Der Preis
Die Spekulationen, die andere mit Kunst treiben, beobachtet Brandl mit einer Mischung aus Neugier und Kopfschütteln. Zwar hat er als etablierter Künstler seinen Marktwert – ein Sechs-Meter-Gemälde brachte bei einer Auktion 2016 fast 150.000 Euro. Doch Gerhard Richter oder auch Albert Oehlen, der in den 1980ern mit Brandl ausstellte und nun von der mächtigen Gagosian-Galerie vertreten wird, bewohnen andere Preis-Sphären.
„In einem bestimmten Markt habe ich nichts verloren“, sagt Brandl. „Da gibt es Investoren, die bauen einen bestimmten Künstler oft über einen langen Zeitraum auf, und das geht dann auf oder auch nicht. Ich rechne mit so etwas nicht mehr in meinem Leben. Aber man weiß nie.“
INFO: Herbert Brandl 2020 in Wien und Graz
„Exposed to Painting“ im Belvedere 21 eröffnet am 30.1. und läuft bis 24.5. Ab 4.2. zeigt die Galerie nächst St. Stephan die Schau „Bilderbuch Bilderbogen“. Am 3. Juli eröffnet im Kunsthaus Graz die Präsentation „Ultra Hybrid“, für die Brandl eine Rauminszenierung erarbeitet. Parallel zeigt das Grazer Künstlerhaus die Schau „Bad Romance“ mit Fotos und Schwarzweiß-Arbeiten (bis 18.10.)
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