Herbert Brandl, der Wirtschaftsfeind

Brandl sammelt, gerne von Uraltfreund Christopher Wool und chinesische Tigerbilder
Bis zu 100.000 Euro kosten seine Bilder – mit dem Markt will der Maler aber nichts zu tun haben.

KURIER: Ist es Ihnen wichtig, dass Ihre Bilder von jemandem gekauft werden, der sie schätzt?

Herbert Brandl: Auf jeden Fall. Früher war ich aber strenger und dachte: Arschlöcher sollen nichts kaufen, Umweltverbrecher kriegen schon gar nichts. Heute sehe ich das lockerer. Ich habe viele Bilder im Markt und kann gar nicht mehr bestimmen, wohin sie gehen. Außer ich nehme einen Auftrag an, aber das tu’ ich sowieso selten.

Was ist so schlimm daran?

Es ist äußerst schlimm, ich halte das überhaupt nicht aus. Dann muss das auch noch zu einem Termin fertig sein. Da müsste eine hundertfache Auftragssteuer dazukommen.

Welches Verhältnis haben Sie zur Wirtschaft?

Herbert Brandl, der Wirtschaftsfeind
Interview mit dem österreichischen Maler Herbert Brandl in seinem Atelier in 1080 Wien am 05.12.2013.
Ich bin ein Wirtschaftsfeind. Das permanente Wirtschaftswachstum ist nix für einen Künstler. Ein Bild ist keine Ware, die man nur kurz konsumiert.

Wie ist das für den Wirtschaftsfeind, wenn jemand für 100.000 Euro Ihr Bild kauft?

100.000 sind nicht viel, wenn man mit Kunst zu tun hat. Die Werte sind gigantisch. Mein Uraltfreund Christopher Wool kassiert 26 Millionen für ein Schriftbild.

100.000 versus Millionen: Was macht den Unterschied?

Die Spekulanten. Die Leute, die das Geld haben und nicht wissen, was sie damit tun sollen, weil sie schon in Erdölquellen, Jachten und Flugzeuge investiert haben.

Sind Sie ein Geschäftsmann?

Nein, das Business interessiert mich nicht, ich bin spröde, bewege mich nicht bei den notwendigen Veranstaltungen, da gehe ich nicht hin. Obwohl ich weiß, dass ich Kontakte knüpfen sollte.

Sie steuern aber, wie viel Ihrer Kunst auf den Markt kommt.

Nein, das kann ich nicht steuern. Oder nur bedingt. Die meisten Bilder sind in stabilen Händen, bei guten Sammlern, anderes flotiert.

Ist Spekulation dabei, wenn Käufer Ihre Bilder erstehen?

Ja, das darf dabei sein. Ich bin aber nicht der klassische Spekulations-Bluechip.

Wenn die Kunst eine Begehrlichkeit der Wirtschaft ist, liebt man sie dann nicht aus den falschen Gründen?

Nicht unbedingt. Diese verblödeten, nein, sagen wir, gescheiten Fürsten haben Kunst über die Jahrhunderte getragen. Das war immer ein Top-Investment, wenn man in großen Zeiträumen denkt. So ist das heute noch. Ich seh’s an mir: Wenn ich zu viel Geld habe, dann spekuliere ich mit Kunst.

Herbert Brandl, der Wirtschaftsfeind
Interview mit dem österreichischen Maler Herbert Brandl in seinem Atelier in 1080 Wien am 05.12.2013.
Womit das Kunstwerk zur Aktie verkommt.

Nein. Ich freue mich jedes Mal, wenn ich den Christopher Wool raushole und anschaue. Da denke ich nicht, der ist Millionen wert, sondern: das ist ein wahnsinnig scharfes Bild, das haut mich um, auch nach zwanzig Jahren noch. Ich seh’s nicht als Aktie, sondern als Steigerung meiner Lebensqualität.

Wer macht den Markt?

Das verändert sich ständig. Kuratoren sind extrem wichtig. Je besser man in den Häusern ausstellt, desto besser werden die Käufer.

Wie viel Geld darf Kunst kosten? 142,4 Million für Francis Bacon – überzogen?

Das ist vollkommen gerechtfertigt, weil auf dem Bild ist Lucian Freud, der beste Maler Englands, vielleicht der Welt. Wobei: Der Bacon ist nicht mein Fall, der ist mehr der Designer, zu glatt. Klar ist das teuer. Wer kauft das? Das sind Holdings und die russische Mafia, Kartelle. Es ist reines Investment.

Und der Käufer will es dann noch teurer wiederverkaufen.Der Käufer will’s einfach haben. Der braucht das. Der parkt sein Geld damit ein. Kann sein, dass es billiger wird, aber nie freiwillig. Bei Jeff Koons hat es mal Teile gegeben, die sind im Preis gefallen – es stimmt nicht immer alles am Kunstmarkt.

Banksy verkaufte seine Spraykunst, Zigtausend Dollar wert, um 60 Euro. Zeigt das die Absurdität der Preisgestaltung?

Das macht er mit Kalkül, als Aktion. Der Mann ist sich hundertprozentig bewusst, was seine Dinge wert sind.

Orten Sie eine Überbewertung?

Nein, weil was mal ausgegeben wurde, das wurde ausgegeben. Das ist dann die Richtlinie. Natürlich kann man’s auch um die Hälfte wieder verscherbeln, aber wer ist schon so scheißdrauf, dass er statt 140 Millionen nur noch 70 Millionen dafür will?

Sie sind auch Professor – erkennen Sie, ob ein Schüler einmal groß und teuer wird?

Das ist absolut uneinschätzbar, weil die Entwicklung der Person nicht vorhersehbar ist. Ich habe an mir selbst erlebt, welche Haken man plötzlich schlägt.

Wieso haben Sie sich trotz Haken am Markt gehalten?

Keine Ahnung.

Steigt die Qualität des Künstlers mit zunehmendem Alter?

Man wird immer besser, malerisch. Ganzheitlich nicht, da verfalle ich, werde immer mehr zum Zombie. Als ich jung war, habe ich zombieartige Bilder gemacht, aber gut dabei ausgesehen. Heute werde ich alt, aber meine Bilder werden schöner.

Gab es ein Bild, das Sie nie hergeben hätten sollen?

Ein Katzenbild von mir mit pinkfarbenem Hintergrund. Leider verkauft.

Sie können’s nochmal malen.

Stimmt, das könnte ich. Wiederholen und repetieren ist aber völlig uninteressant. Man muss dem inneren Impuls folgen.

Herbert Brandl, der Wirtschaftsfeind
Interview mit dem österreichischen Maler Herbert Brandl in seinem Atelier in 1080 Wien am 05.12.2013.
Herbert Brandl, Maler und Professor - Lebenslauf

Herbert Brandl,1959 in Graz geboren, lebt in Wien. Er studierte hier an der Hochschule für angewandte Kunst, bereits mit Mitte 20 hatte er seine erste Einzelausstellung. Seine Bilder wurden in der Albertina, im Kunstforum, bei Ausstellungen in Deutschland gezeigt.

Die Landschaft nimmt seit seinen Anfängen einen wichtigen Stellenwert ein, er ist bekannt für abstrakte Farbfeldmalereien und mächtige Gebirgsbilder, die bis zu 100.000 Euro bei Auktionen erzielen (Faktor 120 bis 150). Seit 2004 ist Herbert Brandl Professor an der Kunstakademie Düsseldorf.

Mit diesem Rekord hatte Mitte November niemand gerechnet: Das Triptychon „Three Studies of Lucian Freud“ (1969) von Francis Bacon wurde in New York um 142,4 Millionen Dollar (106 Millionen Euro) versteigert und ist damit überraschend zum teuersten Kunstwerk geworden, das jemals bei einer Auktion verkauft wurde. Bacons Studie stieß ein weit bekannteres Bild vom Thron: Auktionsrekordhalter war bis dahin Edvard Munchs „Der Schrei“ (2012, rund 120 Millionen Dollar).

Wie subjektiv der Wert von Kunst sein kann, hat der britische Street-Art-Künstler Banksy vor Kurzem gezeigt, für dessen Werke sonst Hunderttausende Euro bezahlt werden. Er ließ im New Yorker Central Park Spraykunst für 60 Dollar verkaufen – und zeigte mit dieser Aktion, wie sehr der Markt an den Verkaufsraum gekoppelt ist.

Die (hohen) Preise sind Ausdruck eines Trends: seit 2008 wird verstärkt im sehr gehobenen Segment gekauft. Die Käufer setzen auf große Namen und bekannte Kunstwerke, die ein relativ risikoloses Investment sind und zudem Prestige bringen. Es gilt das Star-Prinzip: „Ein Monet an der Wand der Milliardärsvilla sieht gut aus, beeindruckt Gäste und das Geld ist gut geparkt“, sagt Andrea Jungmann, Direktorin von Sotheby’s Österreich.

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