Wie er feinsten Lyrismen kraftvolle Dramatik gegenüber stellt. Wie er die exzellenten Instrumentalsolisten phrasieren lässt. Und wie er in wunderbarer Einheit mit den Sängern und mit hoher Erzählkunst musikalisches Theater realisiert. Dieser "Rosenkavalier" in Berlin (gespielt wird die erste Fassung aus Dresden) ist ein besonders wienerischer.
Ebenfalls zu einem riesigen Erfolg wurde der Abend in dem vor nicht allzu langer Zeit prachtvoll renovierten Opernhaus für Günther Groissböck. Der österreichische Basso cantante, der im kommenden Sommer in Bayreuth seinen ersten Wotan singen wird, wurde als Baron Ochs zurecht gefeiert. Man merkt, wie gut er diese Partie für sein Salzburger Debüt mit Franz Welser-Möst einstudiert (und seither perfektioniert) hat. Er behält in aller Obszönität stets die Eleganz, seine Diktion ist perfekt, seine Studie eines Adeligen mit schöner Vergangenheit und schlechten Manieren ebenso. Eine Idealbesetzung für diese Partie.
Auch Camilla Nylund als Feldmarschallin besticht mit traumhafter Phrasierung, stimmlichem Glanz, großer Noblesse – eine exzellente Strauss-Sängerin, die diesfalls als Darstellerin jedoch in Posen erstarrt. Michèle Loisier spielt den Octavian, hin- und hergerissen zwischen einer jungen und einer reifen Frau, berührend, wird in der Höhe aber manchmal leicht schrill. Nadine Sierra ist als Sophie dann am besten, wenn sie ihren zarten Sopran strömen lässt und nicht forciert, Roman Terkel ein markanter Faninal. Auch die kleineren Rollen sind großteils gut besetzt bei dieser Neuproduktion, die fast mehr Besucher aus Österreich ins Theater lockte als aus Berlin.
Was wohl auch am Debüt von André Heller als Opernregisseur liegt (wobei er bereits ausgeschlossen hat, fortan tiefer in diese Profession einzutauchen). Aber gibt es wirklich eine Inszenierung zu sehen? Eher eine Bebilderung auf der von Xenia Hauser mit vielen wienerischen Elementen gestalteten Bühne mit den bunten, fantasievollen Kostümen von Arthur Arbesser (ursprünglich war übrigens Karl Lagerfeld für diesen Job vorgesehen).
Hellers Arbeit ist eine Hommage an Wien generell und an das Wien des Jahres 1917 ganz speziell, er lässt die Handlung an einem fiktiven Tag (9. Februar 1917) abrollen, als Benefizvorstellung Ihrer Durchlaucht Fürstin Marie von Thurn und Taxis-Hohenlohe für die Kriegswaisen und -Versehrten. Das kriegt man ein einziges Mal mit, als ausgerechnet während der Arie des Sängers (mittelmäßig: Atalla Ayan) ein paar Bühnenarbeiter auftauchen.
Ansonsten sieht man ein Palmenhaus, die Secession mit dem Beethoven-Fries, sogar Gustav Klimt als Person, allerdings weder Schnitzel noch Apfelstrudel. Dieses Touristen-Bilderbuch ist optisch nicht unfesch, trägt aber wenig zur Geschichte bei, nichts zu einer Interpretation und wirkt insgesamt sehr statisch. Hier gilt alles der Schönheit. Wie gerne denkt man etwa an den Salzburger "Rosenkavalier" von Harry Kupfer zurück, der auch besonders wienerisch war. Oder auch an jenen von Otto Schenk an der Staatsoper, der hier ideologisch vielleicht sogar Pate stand, aber nie erreicht wird.
Allzu oft ärgern sich Opernbesucher über modernes Regietheater (was auch immer das ist, weil ja jedes Theater per se Regietheater ist). Was hier zu sehen ist, ist konservatives Regietheater, in den Eingriffen nicht minder kühn. Die Publikumsreaktionen auf Hellers Arbeit, der nach zahlreichen Vorhängen doch die Bühne betrat, fielen gemischt aus.
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